Letzten Donnerstag schauten wir uns Shanghai von oben an: Mit dem schnellsten Lift der Welt (18m/s) fuhren wir aufs zweithöchste Gebäude der Welt hoch, auf den 632m hohen Shanghai Tower. Wenn auch die Namensgebung nicht sehr fantasievoll ausfiel, so wenigstens die Architektur: Mit seiner geschwungenen, gedrehten Form hebt sich dieser Wolkenkratzer wohltuend von den vielen hässlichen Hochhäusern Shanghais ab. Zudem kann man vom Aussichtsdeck des «Zapfenziehers» auf den 492m hohen «Flaschenöffner» herunterschauen. (Letzteres ist der offizielle Übername vom Shanghai World Finance Center (SWFC), den «Zapfenzieher» habe ich jetzt grad erfunden.)
Die chinesischen Städte sind ja berühmt für ihre schlechte Luftqualität und damit ist oft nicht nur Husten und Kopfweh garantiert, sondern auch eine schlechte Sicht. Shanghai ist da keine Ausnahme, im Gegenteil. Da wir nur an einem mittelmässigen Tag aufs Aussichtsdeck hochgingen, sieht man auf den Fotos nun nicht die ganze Stadt, sondern kann viel mehr sehen, wie die Häuser in einer milchigen Suppe verschwinden. Nicht mal zu unserer Wohnung in Xuhui konnten wir blicken, und die liegt grad mal 6.5km vom Turm entfernt. Aber auch bei dieser Sicht war es eindrücklich genug.
Maglev
Und wenn wir an diesem Tag schon extrem hoch hinaus gingen, dann wollten wir es auch grad noch extrem schnell haben. Also gingen wir Maglev fahren: Maglev steht für Magnetic Levitation, Magnet-Schwebebahn. Von deutschen Firmen wurde hier 2002 der Transrapid Shanghai erstellt, der sich vorerst auf eine 30km lange «Teststrecke» von der Longyang Road bis zum Flughafen Pudong beschränkt. Eigentlich wollte man ein grösseres Netz erstellen, doch dann setzten die Chinesen auf die herkömmlichen Superschnellzüge. Inzwischen ist ein Weiterausbau der defizitären Strecke unwahrscheinlich geworden. Doch eine Fahrt mit der Maglev ist sensationell: Der Zug beschleunigt bis auf eine Höchstgeschwindigkeit von 430km/h. Diese Geschwindigkeit erreicht er aber nur während knapp einer Minute, denn danach muss er schon wieder abbremsen, um nicht am Flughafen übers Ziel hinaus zu schiessen. Für die ganze Strecke benötigt die Bahn gerade mal 7 Minuten.
Wir hatten um 14:10h in Longyang Lu ein Retourticket gekauft und waren eine halbe Stunde später bereits wieder dort. Dazwischen rasten wir auf dem Betontrassee zum Flughafen und zurück. Die Beschleunigung war eindrücklich, ab 200km/h wurde das Fahrgeräusch lauter, ab 350km/h vibrierte es ein wenig. Nachdem das Tachometer 400km/h überschritten hatte, stieg die Zahl immer langsamer an und bei 431km/h verharrte sie dann für eine Weile. Vierhunderteinunddreissig Stundenkilometer! Hueregeil! Auf der parallel zum Trassee liegenden Autobahn schienen die Autos nun alle rückwärts zu fahren und sogar das Flugzeug im Landeanflug schien langsamer vorwärts zu kommen als unser Zug. Bereits fuhren wir nicht mehr mit Höchstgeschwindigkeit, als es plötzlich zweimal knallte: Das war die Druckwelle des Gegenzugs, der in weniger als einer Sekunde an unserem Fenster vorbeischoss. Wir fanden das alles sehr eindrücklich und klebten gebannt am Fenster, doch die Chinesen um uns herum sassen in den Sesseln an ihren Händis und machten ein Gesicht wie die Zürcher am Montagmorgen im Tram.
Expo 2010
Shanghai hatte im Jahr 2010 eine Weltausstellung beheimatet. Wie auch andere Städte nahm Shanghai das zum Anlass, eine Stadtgegend aufzuwerten, und – ebenfalls wie an anderen Orten – fiel das Ergebnis durchzogen aus. Der damalige China Pavillon (architektonisch sehr gelungen, wenn ihr mich fragt) beherbergt heute das Shanghai Art Museum und auch die «Mercedes-Benz Arena» erfüllt noch immer ihren Zweck. Die Power Station of Art ist ebenfalls ziemlich cool, obschon das zum Kunstmuseum umgebaute frühere Elektrizitätswerk etwas gar offensichtlich versucht, die Londoner Tate Modern zu imitieren. Die damalige Hauptachse der Expo ist heute ein halb leerstehendes Einkaufszentrum. An solchen Orten kommt bei mir immer so eine Art Endzeitstimmung auf. Drum herum wird, wie überall in Shanghai, fleissig gebaut. Keine Ahnung, ob in die Häuser dann auch jene 18’000 Bürger einziehen dürfen, die man vor der Expo zwangsumgesiedelt hatte…