Nachdem wir am Freitag von Shangri-la nach Kunming zurückgeflogen waren, folgte nun der zweite Teil unserer Yunnan-Reise. Wir machten uns auf in den Süden. Rasch zeigte sich, dass dieser noch weniger touristisch war als der Norden. Wir sahen kaum einen anderen Westler und je kleiner und abgelegener die Orte waren, desto mehr wurden wir von den Einheimischen neugierig beobachtet oder auch unverhohlen angestarrt.
Zuerst fuhren wir nach Tonghai, wo wir auf dem Xiu Shan Berg die lauschigen Gärten, Tempel und Pavillons anschauten, die verschiedene frühere Könige oder Fürsten hier erbauen lassen hatten. Nach diesem friedlichen Ausflug gingen wir essen, einmal mehr in ein muslimisches Restaurant. Auf die Frage, weshalb er diese jeweils vorziehe, erklärte unser Guide, dass bei den Muslims die Hygiene viel besser sei als bei den Han-Chinesen. Da hatten wir natürlich nichts einzuwenden, denn auch in diesen Lokalen ging es schon viel einfacher zu und her, als noch in Shanghai oder Kunming.
Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Jianshui, hier bezogen wir ein Zimmer in einem richtig fetten chinesischen Hotelpalast: Vordergründig alles sehr bonzig (3-geschossige Eingangshalle, überall stillose Gold- und Marmor-Imitate), aber im Zimmer lief die Dusche nicht ab und der Safe war kaputt. Störte uns aber nicht gross, denn wir gingen nun den Konfuzius-Tempel besichtigen.
Als Frank uns fragte, ob er uns noch eine lokale Tofu-Fabrik zeigen solle, sagten wir natürlich nicht nein. (Alles, nur keine weiteren Tempel!) Selbstverständlich hatten wir keine Ahnung, wie denn Tofu eigentlich hergestellt wird, aber da die Firma gemäss Frank viele Hotels und Restaurants belieferte, musste es sich um ein grösseres Unternehmen handeln. Doch er führte uns in ein altes Viertel, das noch weitgehend aus ein- und zweistöckigen Lehmhäusern bestand. In einem Raum, der eher wie eine Garage aussah, sassen dann auf kleinen Plastikstühlen vier Frauen auf dem nassen Steinboden, inmitten von unzähligen Schüsseln und Blechen. Aus einer weissen Masse formte jede von ihnen von Hand kleine Vierecke, legte sie auf ein Blech, und wenn dieses voll war, wurde es mit Ziegelsteinen beschwert, um das Wasser aus dem Tofu zu pressen. Dieses wiederum stammte aus einem nahegelegenen Ziehbrunnen. Die «Garage» war aber nur eine Dependance der Manufaktur, denn anschliessend besichtigten wir noch das «Hauptgebäude», wo weitere Frauen die gleiche Tätigkeit ausübten. Bis zu 1’000 Tofu-Quadrate pro Stunde schafft eine Arbeiterin.
Abschliessend besuchten wir noch die Residenz der Familie Zhu. Dieses stattliche Anwesen der damals reichsten Familie hatte einmal ein Drittel der ganzen Stadtfläche ausgemacht, es umfasst hunderte von Zimmern, 12 Innenhöfe, ein eigenes Theater und einen grossen Garten mit Teich. Der Stammbaum dieser erfolgreichen Händlerfamilie war während der Kulturrevolution abrupt beendet worden und auch die prunkvollen Gebäude überstanden jene Zeit nicht unbeschadet. Heute geben zwar auch viele Chinesen zu, dass jene Zeit «nicht gut» war, aber so richtig darüber reden können/dürfen/wollen sie noch nicht.
Am Sonntag besichtigten wir die Doppelte Drachenbrücke, eine imposante Bogenbrücke aus der Qing-Dynastie. Auf chinesisch heisst sie «shuāng lóng qiáo» und nicht etwa «liǎng lóng qiáo» wie ich es zu radebrechen versuchte, und was bei unserem Fahrer minutenlanges, herzhaftes Lachen auslöste («liǎng» steht für «zwei» in Aufzählungen, aber vielleicht auch noch für etwas ganz anderes?).
Die nächste Touristen-Attraktion, das «scenic village Tuanshan» war dann eine Ansammlung von heruntergekommenen alten Hofhäusern, in denen das Zhang-Volk in ärmlichen Verhältnissen lebt. Chinas Umgang mit ihren über 50 Minderheiten scheint etwas spröde: Einerseits «hätscheln» sie diese Leute, geben ihnen einfachere Aufnahmechancen an die Universitäten und lassen sie in ihren Dörfern gewähren, andererseits zeigen sie sie als Touristen-Attraktionen her wie in einem Zoo oder einem lebendigen Ballenberg. «Schaut nur, wie gut wir zu diesen Leuten sind», scheint die offizielle Message zu sein, doch nur schon der Ausdruck «Minorities» zeigt ja, dass es sich bei diesen Völkern eben doch um Fremdkörper handelt, die nicht so richtig dazugehören.
Als nächstes fuhren wir zu den Schwalbenhöhlen. Dieses Höhlensystem ist dafür bekannt, dass es von Schwalben als Nistplatz aufgesucht wird. So wimmelte es dann im riesigen Höhleneingang nur so von diesen Vögeln, und erstaunlicherweise flogen sie recht weit in die immer dunkler werdende Höhle hinein. Wie in diesem Blog schon früher erwähnt, essen die Chinesen ja wirklich alles und deshalb erstaunt es nicht weiter, dass einmal jemand auf die Idee gekommen ist, auch Schwalbennester zu verspeisen. Wobei genau genommen nicht das Nest gegessen wird, sondern die eingetrocknete Spucke der Vögel, welche die Zweige des Nests zusammenhält. Klar, dass diese Delikatesse hier zum Verkauf angeboten wurde, doch war es nicht in erster Linie der horrend hohe Preis, der uns vom Kauf abhielt.
Beim Eingang zur Höhle präsentierte ein unerschrockener Freikletterer, wie man so eine Höhlenwand (barfuss, mindestens 6c) hochklettert, um die Nester herunterzuholen. Für uns Nicht-Nestsammler stand dann glücklicherweise ein asphaltierter Weg zur Verfügung, um weiter in die Höhle hineinzukommen. Dieser führte dem kleinen Fluss entlang, welcher in die Höhle hineinfloss. Als wir die lärmende Vogelschar hinter uns gelassen hatten, stiegen wir eine Treppe hoch, um die 80-100m hohe Grotte aus der Höhe zu betrachten. Die verschiedenen Stalagmiten und Stalaktiten waren effektvoll mit bunten Lampen beleuchtet und zeigten eindrucksvoll die Grösse der Halle. Wir waren jedenfalls tief beeindruckt von dieser faszinierenden Unterwelt. Schliesslich erreichten wir die Stelle, wo der Fluss über eine tosenden Wasserfall in der schwarzen Tiefe verschwand. Und wir wären ja nicht in China, wenn nicht zuhinterst in der Höhle ein «Fantasy Land» eingerichtet worden wäre: ein kleines Höhlen-Disneyland mit Irrgarten, Restaurant und Spielautomaten, wo man Plüschtiere gewinnen konnte. Für den Rückweg aus der Höhle raus stand dann ein als Drache verkleidetes Motorboot zur Verfügung.
Nach dem Mittagessen fuhren wir von den Schwalbenhöhlen (1’300müM) nach Lengdun (240müM). Als wir nach vier Stunden bei einem kleinen Früchtemarkt aus dem klimatisierten Auto stiegen, haute es uns fast um: draussen war es tropisch heiss und feucht. Lengdun liegt am Ufer des Roten Flusses, welcher schon 80km flussabwärts die Genze zu Vietnam bildet und später durch Hanoi fliesst. Die frischen Mangos vom Markt schmeckten hervorragend, doch waren wir dennoch froh, diesem Klima wieder entfliehen zu können. Unsere Reise führte nämlich auf der anderen Seite des Flusses wieder bergauf, bis nach Xinjie (1’850müM). Und wie’s dort weiterging, erfahrt ihr im nächsten Bericht.