Über die chinesischen Lebensmittel liest man ja so einiges: Zum einen sind die Umweltbedingungen schwierig (verseuchtes Flusswasser, saurer Regen, kontaminierter Boden), zum andern gab es da so einige Skandale (chemisch behandeltes Schweinefleisch, um es wie Rindfleisch aussehen zu lassen, Melamin in der Milch, mit Styropor gestreckte Nudeln etc.). Aber trotzdem: Was die Chinesen aus ihren Lebensmitteln zaubern, ist durchs Band sensationell. Und damit meine ich die hiesige chinesische Küche, nicht jene bei uns zuhause. Wahrscheinlich werden wir in Europa nie mehr in ein Sichuan-Restaurant gehen können, ohne kulinarisch enttäuscht zu werden…

Húnán-Küche im Restaurant Di·Shui·Dong

Weiter sagt man von den Chinesen, dass sie eigentlich alles essen, was vier Beine hat – ausser Tische und Stühle. Und von jedem Tier wird wirklich alles verwertet. Das ist natürlich sehr ökonomisch und deshalb löblich, und trotzdem fehlte uns bisher für Gerichte wie frittierte Entenzungen und gekochte Hühnerfüsse einfach der Mut. Mangels detaillierten Übersetzungen in den Menukarten (bzw. in der Händy-App – Übersetzungen wie «Wir werden den Jangtse kochen, wenn die Ölgruppe» sind einfach nicht sehr hilfreich) können wir aber nicht ausschliessen, dass wir unter der simplen Bezeichnung «beef» oder «pork» trotzdem schon Innereien oder andere Tierteile verspeist haben, die für uns kulinarisches Neuland bedeuteten.

Essen mit Blick auf die East Nanjing Road (Yunnan-Küche)

Für uns Westler ungewohnt ist, dass viele Restaurants nicht auf Strassenlevel liegen, sondern irgendwo in einem Obergeschoss versteckt sind. Das heisst, «versteckt» sind sie ja nur für jene, die die grossen chinesischen Zeichen nicht interpretieren können. Auch Restaurants, die in Shopping Center liegen, haben hier einen viel besseren Ruf als bei uns, so geht man gerne mal Sonntags in die Food Mall bzw. den Food Court zum Essen, manche Einkaufspaläste scheinen gar mehr Restaurants als Läden zu haben. Ein weiteres Handicap für Nicht-Sprachkundige: Restaurants finden, einen Tisch reservieren und anschliessend bezahlen, das macht der moderne Chinese mit einem Gerät, das wir zwar auch ständig in der Hosentasche mit uns herumtragen, aber eben: Apps auf Mandarin, das ist nicht so unser Ding.

Mmmhh, Fleisch für unseren «Hot Pot»

In unserer kleinen Wohnung ist die Küche leider nicht so gut ausgerüstet, neben einer Spaghettipfanne fehlen für uns grundlegende Dinge wie z.B. ein richtiges Brotmesser. Also gehen wir halt auch in Shanghai vorwiegend auswärts essen, was aber angesichts der oben beschriebenen Möglichkeiten und der feinen Küche nicht wirklich ein Problem ist. Zudem muss es ja auch nicht immer Chinesisch sein: Nebst den Spezialitäten aus all den verschiedenen Provinzen haben wir auch schon japanisch, thailändisch, vietnamesisch und türkisch gegessen, einmal auch westlich (also Hamburger) – letzteres ist aber nicht zu empfehlen. Erstaunlich ist die grosse Preisspanne: Man kann hier sehr teuer essen, aber auch sehr billig. Einmal hatten wir für 40 RMB (knapp 6 CHF) wirklich feine Dumplings zum Zmittag. Zum Vergleich: Ein Latte Macchiato im Starbucks kostet 32 RMB (CHF 4.50).

Japanisches Barbecue im Einkaufszentrum

Zum Glück müssen wir auch nicht immer alleine ins Restaurant: Per Zufall hatte ich bei einem Anlass Daniela kennengelernt, die gerade mit ihrem Freund ein halbes Jahr in Shanghai verbringt. Beni war von seinem Dietiker Arbeitgeber in die hiesige Zweigstelle geschickt worden, normalerweise wohnen die beiden auch im Limmattal. Also gingen wir mal zu viert auf einen «Schweizer Abend» in ein feines Yunnan-Restaurant essen. Wir genossen die Gesellschaft und tauschten unsere Erlebnisse aus. Und als dann die chinesische Pensionärengruppe am Tisch hinter uns nach dem x-ten Schnaps immer lauter ihr «Opern-Karaoke» sang, da gingen wir halt noch ein Haus weiter…

Unser Lieblings-Restaurant, das «Yu Xiang Qing» (Sichuan-Küche)

Letzten Sonntag trafen wir uns nochmals mit Leo und Jodie. Diese beiden jungen Chinesen hatten wir vor zwei Monaten auf Fidschi kennengelernt und dabei erfahren, dass sie in Shanghai wohnen. Also blieben wir in Mail-Kontakt und vereinbarten, uns hier mal zu treffen. Und so machten wir es. Obwohl wir uns ja kaum kannten, wurde es eine sehr kurzweilige Begegnung. Wir assen Zmittag im Shopping Center (siehe oben) und anschliessend hatten die beiden etwas ganz Besonderes für uns ausgesucht: Mit dem Taxi fuhren wir in die Villengegend der French Concession, wo uns Leo zielstrebig zu einem Tor führte. Die Gartenmauer wirkte abweisend und war nicht gekennzeichnet, doch wir gingen rein, schlichen durch einen privaten Vorgarten und erreichten dann eine Terrasse, wo wir ins Haus eingelassen wurden. Das Erdgeschoss dieser Villa war in ein schickes Teehaus umfunktioniert worden, welches aber nur via Internet zu finden und zu buchen ist (nochmals: siehe oben). Jedenfalls durften wir ihre Gastfreundschaft den ganzen Nachmittag geniessen und es war äusserst interessant, so einen Einblick ins Leben zweier junger Chinesen zu erhalten.

Ein gemütlicher Nachmittag im Teehaus

Zwei Tage später gingen wir nochmals auf eine Tee-Tour, diesmal auf eine organisierte. An der U-Bahn-Station wurden wir von Erica abgeholt, die uns dann in die «Tianshan Tea City» führte. Übrigens, falls ihr Euch wundert, weshalb Chinesen Leo, Jodie oder Erica heissen: Heissen sie natürlich nicht. Aber viele, vor allem junge Chinesen geben sich selber einen westlichen Namen, damit wir Westler den auch verstehen, aussprechen und uns merken können. Beim anschliessenden Mittagessen half mir Erica dann noch, meinen kompromittierten «WeChat» Account wieder freizubekommen und seither klingelt mein Händy nun schön regelmässig, weil meine chinesischen Freunde halt einfach ultra-kommunikativ sind. 😱👍🏻💁🏻🙈

Carmen kocht 辣子鸡块 («là zi jī kuài»; scharfes Hühnerfleisch)

Heute schliesslich waren wir noch in einem Sichuan-Kochkurs. Zusammen mit drei Japanerinnen und unter kundiger Anleitung von «Mike», unserem chinesischen Koch, frittierten wir Bohnen und Hühnerbeine und mischten im Wok das passende Chilli-Pfeffer-Sösseli zusammen. Nachdem wir ja schon in Seoul einen Kochkurs besucht hatten, war es natürlich lustig, zu vergleichen. Und klar: Der heutige Kurs war einiges chaotischer und lebhafter als jener in Korea. Dort war alles fein säuberlich in Schalen bereitgestellt, hier lag die Einkaufstüte mit den getrockneten Chillis gleich neben der bruzzelnden Pfanne, stand das rohe Fleisch neben dem fertigen Gemüse, und gleich neben all den offenen Lebensmitteln wurde noch abgewaschen. Wahrscheinlich ist es besser, dass wir in den Restaurants jeweils nicht in die Küche reinsehen können. Aber eben, das Ergebnis ist toll, wir haben bis jetzt eigentlich immer gut gegessen: Kochen können die Chinesen wirklich. Kochen und massieren, aber das wäre jetzt wieder eine Geschichte für sich.