Am Sonntag morgen fuhren wir noch rasch an den nahen Erhai-See (damit wir den abhaken konnten), danach folgte die zweistündige Fahrt zum Shibao-Berg. Hier gab es eine Felswand, an die sich ein paar Tempel und Statuen schmiegten, welche es natürlich zu besichtigen galt. Einmal mehr zeigte sich, dass das Interesse an Tempeln bei unserem Guide stärker ausgeprägt war als bei uns, doch wir gingen tapfer mit. Eine weitere Attraktion dieses Ortes waren die wilden Affen, die jede Menschenscheu vermissend die Gegend unsicher machten. Beim anschliessenden Snack an der Bushaltestelle musste man aufpassen, dass die Viecher einem nicht die chinesischen Pommes frites vom Teller klauten. Mit einer kurzen Busfahrt gelangten wir anschliessend auf den Gipfel des Shizong-Bergs, wo es ganz in der Nähe Figuren zu besichtigen gab, die vor 1’200 Jahren aus dem Fels gehauen worden waren. Nach diesem Rundgang wanderten wir dann vom Berg runter zum Dorf Shaxi. Zu unserer Verwunderung war der Wanderweg durchgehend gepflastert und mit Stufen versehen. In Shaxi angelangt, genossen wir ein spätes Mittagessen und gingen dann auf Stadtbesichtigung. Das Interessante an Shaxi ist, dass dieses einst heruntergekommene Dorf 2001 auf eine Initiative der ETH Zürich hin im originalen Stil wiederaufgebaut bzw. restauriert wurde. Dieses Projekt war so erfolgreich, dass es 2005 von der UNESCO ausgezeichnet wurde. Shaxi selber wurde von der kommunistischen Partei Chinas umgehend zum Modell-Dorf erklärt. Und wir erklären hiermit den Kaffee von 叶子的店 zum besten von ganz China.

Nach einer Übernachtung in Shuhe gingen wir Lijiang besichtigen. Leider war es bewölkt, weshalb uns ein Blick auf den 6’000m hohen Jade-Drachen-Schneeberg verwehrt blieb. Sowohl Lijiang als auch Shuhe sind sehr touristisch und werden vorwiegend von chinesischen Touristen besucht. Die Altstadtgassen sind lieblich, weil sie von Kanälen durchflossen werden. Doch leider hatte mal ein Restaurant die Idee, mit Livemusik mehr Kunden anzulocken. Weil das funktioniert hat und weil die Chinesen super im Kopieren sind, plärrt es jetzt abends aus allen Lokalen. In der Innenstadt gibt es nun kaum einen Tisch, der nicht mindestens aus drei unterschiedlichen Quellen beschallt wird. Zum ersten Mal in China kriegten wir in Shuhe mal so richtig grässliches Essen aufgetischt.

Leider ging es am nächsten Morgen ebenso grässlich weiter: Es regnete nämlich heftig. Was nicht weiter tragisch gewesen wäre, wenn unser Reiseprogramm nicht gerade an diesem Tag unsere zweitägige Wanderung durch die Tigersprung-Schlucht vorgesehen hätte. Zwar hofften wir auf der zweistündigen Autofahrt nach Qiautou, dass der Regen noch rechtzeitig aufhören würde, doch vergeblich. Um halb zwölf wanderten wir los, mit Regenschutz und -hose, vor uns ein Anstieg von 1’000 Höhenmetern und eine graue, trostlose Gegend. Kurz nach dem Start verriet uns Frank, unser Guide, dass zur Zeit gerade eine Autobahn und eine Eisenbahnlinie durch die Schlucht gebaut würden, was erklärte, weshalb unser «Wanderweg» eine lehmige Baustellen-Zufahrt war, auf der alle paar Minuten ein dreckiger Lastwagen vorbeirumpelte. Und weil der Weg eben zum Bauen gebraucht wurde, hatten die Leute kurzerhand einen neuen Wanderweg gebaut, leider einen, der noch ein paar hundert zusätzliche Höhenmeter erforderte. Der Aufstieg war so streng, dass wir in Kürze völlig durchgeschwitzt waren. Da wir nur einen Tagesrucksack mit wenig Wechselwäsche dabei hatten (unsere Koffer würden wir erst am Folgetag wieder sehen) und keine Ahnung hatten, in welchem Zustand das Gasthaus in der Schlucht sein würde, war unsere Motivation ziemlich auf den Nullpunkt abgesunken. Und so langsam kamen uns auch Sicherheitsbedenken, denn der Weg war schlüpfrig und die Schlucht steil… Nach 2.5h Aufstieg im Dauerregen gelangten wir zum Naxi Family Guesthouse, wo der Mittagshalt vorgesehen war. Hier überredeten wir unseren Guide dazu, für den zweiten Teil eine Transportmöglichkeit zu organisieren (er war darüber auch nicht unglücklich). Zum Glück klappte das und so erreichten wir das Tea Horse Guesthouse auf angenehmerem und sicherem Weg. Und den Nachmittagstee konnten wir sogar wieder in trockenem Zustand geniessen.

Am Mittwochmorgen war die Tigersprung-Schlucht zwar noch verhangen, doch es regnete nicht mehr. Also marschierten wir nach dem Zmorge los. Mit dem Wetter hatte sich auch unsere Stimmung gebessert und dieser zweite Wandertag war wirklich schön. Die Schlucht ist sehr eindrücklich, man kann das auf Fotos gar nicht richtig festhalten: Der Yangtse rauscht auf rund 1’750müM durch die Schlucht, unser Höhenweg liegt auf 2’400müM und die höchsten Bergflanken sind fast 6’000m hoch. Nach rund 3h Wanderzeit erreichten wir bereits Tina’s Guesthouse und damit den Abschluss unserer Tour. Auf der Rückfahrt stoppten wir noch an der Stelle, die der Schlucht den Namen gegeben hat: Ähnlich wie am Rheinfall gibt es hier eine Stromschnelle, in deren Mitte ein grosser Fels liegt. Die Schlucht ist hier so schmal, dass (der Legende nach) ein Tiger mit zwei Sprüngen über den Fels auf die andere Seite gelangen kann.

Wir aber blieben auf der Nordseite und assen in Qiautou in einem tibetischen Gasthaus Zmittag. Und danach fuhren wir nordwärts, tiefer in den autonomen Bezirk Dêqên hinein, welcher kulturell nicht mehr zu China, sondern schon zu Tibet gehört. Doch dazu später mehr.