Reisetagebuch von Christian Kaiser

Kategorie: Argentinien (Seite 2 von 3)

Las Puertas cerradas

Er mache das nun seit 22 Jahren, sagt uns Dan, der Koch. Zuerst nur einmal pro Monat, dann immer öfter. Inzwischen steht er vier bis fünf Abende pro Woche in seiner Küche und kocht für 10 Unbekannte. Die «puertas cerradas» («die verschlossenen Türen») sind in Buenos Aires sehr populär und natürlich konnten auch wir uns das nicht entgehen lassen.

Übers Internet meldet man sich also für so einen Abend an und erhält daraufhin die genauen Zeit- und Ortsangaben, denn der Anlass findet in einer Privatwohnung statt. Hier treffen sich nun die geladenen Gäste im Wohnzimmer zum Aperitivo, und nachdem das Konversations-Eis gebrochen ist, setzt man sich zu Tisch. Der «estadounidense» Dan und sein peruanischer Partner Henry servieren einen perfekten Fünfgänger mit passender argentinischer Weinbegleitung. Man merkt schnell, dass er nicht umsonst mal Chefkoch im «The Kitchen Club» (NYC) war. Jedenfalls schlemmen wir köstlich und unterhalten uns mit der bunten Gästeschar (US-Honeymooner, zwei ältere Damen, die dem kanadischen Winter (und wohl ihren Ehemännern) entflohen sind, ein dänisches Ehepaar im Sabbatical und zwei US-Studentinnen). Es ist es weit nach Mitternacht, als sich die verschlossenen Türen wieder öffnen und wir uns auf den Heimweg machen.

EL MENÚ
Casa SaltShaker, 13 Enero 2017

Vodka, Hesperidina, Ají amarillo, Jengibre, Jugo de Naranja

Biscuits de Ciboulette y Feta

Cevice de Sálmon Blanco con Maracuyá y Ají amarillo
El Esteco «Don David» Extra brut, Cafayate

Sopa fria de Zanahoría con Sorbeto de Coco
Uxmal «Tilia Vineyards» Sauvignon blanc 2014, Mendoza

Papardelle de Trigo «Quemado», Arvejas, Avellanas y Menta
Sophenia «Alstosur» Malbec rosé 2015, Tupungato

Matambrito Braseado en Leche, Mugedra, Chaucas
Trapiche «Fond de Cave» Petit Verdot Reserva 2014, Maipú

Suelo de Chocolate y Coco, Mousse de Cacao, Frutas Tropicales
Nieto Senetiner «Emilia» Malbec rosé dulce 2016, Lújan de Cuyo

Café Tarrazú de Costa Rica

El Teatro Colón

Nach knapp 6 Wochen Spanisch-Intensivkurs macht die Sprache immer noch bzw. immer mehr Freude. Inzwischen habe ich sogar ein Buch auf Spanisch gekauft, mit dem festen Ziel, dieses in den nächsten Wochen zu lesen (vielleicht hätte ich doch die E-Book-Version kaufen sollen, da wäre das Wörterbuch schon eingebaut). Nach wie vor schwierig ist es aber, die Leute auf der Strasse zu verstehen, zumal die Porteños eher schnell sprechen und die «s» verschlucken.

Um unser Sprachverständnis weiter zu trainieren, buchten wir also die Führung durchs Teatro Colón auf Spanisch. Zum Glück kriegten wir eine «Guía», die langsam und deutlich sprach, so dass wir fast alles verstanden haben.

Das Teatro Colón stammt aus dem Jahre 1908 und gehört zu den grössten und besten Opernhäusern der Welt. Der Hauptsaal fasst 3’000 Personen und ist wirklich imposant. Der Saal kann für Opern, Theater und Konzerte gleichermassen verwendet werden und dank der super Akkustik hört man auf dem Balkon im 6. Stock exakt gleich viel wie in der 2. Reihe vom Parkett. Exquisit sind auch die Pausenräume, schliesslich wurden damals in diesen Räume Kontakte gepflegt, über Eheschliessungen verhandelt und Geschäfte abgeschlossen.

Anfangs des 20. Jahrhunderts schwamm Buenos Aires wirklich im Luxus und das Theaterhaus zeigt dies deutlich: Überhohe Säle, nur mit den besten Materialien ausgestattet, sämtlicher Marmor wurde per Schiff aus Italien importiert. Über die Erstellungskosten ist mir nichts bekannt, aber als das Theater 2005 restauriert wurde, dauerten die Arbeiten 5 Jahre (statt 18 Monate) und kosteten 100 Mio. USD (statt 25). So gesehen, hat Buenos Aires also schon lange seine «Elphi».

En misión secreta

Freitag, 6. Januar: Nach unserem Nachmittags-Ausflug nach La Boca (siehe Bilder hier) war es abends mal wieder Zeit zum Abschied nehmen: Elena und Roger, die mit mir die letzten Wochen in der Schule waren, reisten nun weiter nach Salta bzw. Mendoza. Somit musste ein stilvoller Schlussabend her. Auf Roger’s Initiative gingen wir ins «Frank’s», doch das war leichter gesagt als getan.

In geheimer Mission

Das «Frank’s» funktioniert so, dass man zuerst übers Internet das richtige Passwort in Erfahrung bringen muss, sonst läuft gar nichts. Danach trifft man sich abends in einer dunklen, etwas abgelegenen Strasse von Palermo Hollywood und wundert sich schon, ob man richtig ist, doch dann sieht man das kleine Email-Schild. Wir klingeln an einer schwarzen Tür, kurz darauf öffnet sich auf Kopfhöhe ein kleiner Schieber und ein Augenpaar schaut aus dem Schlitz heraus: «¿Codigo?». Roger weiss die richtige Antwort (nein, nicht «Burt Reynolds») und schon öffnet sich die Türe.

Nun stehen wir in einer schmalen, dunklen Gasse, weiter hinten leuchtet das Neonlicht einer Telefonkabine. Aus dem Dunkel wird uns ein Zahlencode zugeflüstert. Hoffentlich haben wir diese auf Spanisch richtig verstanden. Also ab in die Kabine, Hörer abnehmen und Zahlen eintippen. Wiederum waren wir erfolgreich, denn mit einem Summen öffnet sich nun die Hinterwand der Telefonkabine, dahinter liegt die Bar!

Ein hoher Raum mit Galerie, Kronleuchtern und grosser Bartheke. Die Einrichtung ist aus den Dreissigern, alles mit dunklem Plüsch und edlem Stil, die Kellner im Livrée. Sind wir soeben durch ein Zeitloch gefallen? Die Rezepte für die Drinks stammen ebenfalls ausschliesslich aus den Dreissiger Jahren, ebenso die jazzige Musik. Wir bleiben auf ein paar Drinks und geniessen diese «Zeitblase». So muss es vor 80 Jahren in Buenos Aires gewesen sein, jedenfalls für die «happy few»…

 

Cambio del año

Seit dem letzten Artikel ist es schon eine Weile her. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist bei uns nach drei Wochen eine gewisse Alltagsroutine eingetreten, was keineswegs negativ gemeint ist. Vielmehr haben wir hier unseren Rhythmus gefunden, womit sich unser Fokus wieder vermehrt auf Genuss und Freizeitaktivitäten gerichtet hat. Zum andern war es in den letzten Tagen hochsommerlich heiss und feucht, deshalb sind wir tageweise rumgehängt wie tote Fliegen: Am Silvester war die gefühlte Temperatur («Sensación Térmica») gemäss Wetterbericht 40.7 Grad Celsius.

Miércoles, 28. diciembre

Dennoch waren wir über den Jahreswechsel nicht untätig: Nebst dem täglichen Spanisch-Unterricht waren wir am letzten Mittwoch zu einem feinen Mittagessen in einem andalusisch bzw. maurisch angehauchten Patio, welcher sich zwar mitten im Zentrum befindet, aber für Unkundige kaum zu finden ist. Danach blickten wir für einmal «von oben herab» auf BsAs, nämlich von der Aussichtsplattform in der «Galeria Güemes».

Schliesslich verabschiedeten wir uns bei ein paar Bier von Mirjam und Martin, zwei Schweizer Weltenbummler, mit denen ich jetzt 3 Wochen in der Schulklasse war. Die beiden machen nun in den kommenden Monaten mit ihrem roten VW-Bus Argentinien unsicher.

Jueves, 29. diciembre

Am Donnerstag besuchten wir das MAMBA. Das hat nix mit der Schlange zu tun, sondern ist die Abkürzung für das «Museo de Arte Moderna de Buenos Aires». Hier haben uns zwei Dinge gefallen: Die grosse Ausstellung von Picasso-Zeichnungen und die Tatsache, dass das Museum dank Klimaanlage auf eine erträgliche Temperatur runtergekühlt war.

Anschliessend spazierten wir durch das aufgemotzte Hafenviertel Puerto Madero, wo wir dann schliesslich auch noch eine Platte Sushi verdrückten. Puerto Madero ist zwar ein modernes Quartier, aber irgendwie werden wir damit nicht warm. Das Quartier mit seinen umgebauten Lagerhäusern und seinen Glas- und Stahl-Hochhäusern könnte überall auf der Welt stehen: Ebenso austauschbare Architektur gibt’s in Hamburg, Oslo, Liverpool, Seattle usw. – zum Teil sogar mit denselben Restaurant-Ketten. Ich verstehe ja, dass auch die Porteños etwas Internationalität in ihrer Stadt haben möchten, doch für uns bleibt Puerto Madero ein Fremdkörper in unserem Bild von Buenos Aires.

Sábado, 31. diciembre

Am Samstagabend waren wir dann an der Silvesterparty von Graciela, meiner Spanisch-Lehrerin. Nebst der eingeladenen Verwandschaft (von der 14-jährigen, händysüchtigen Nichte bis zur liebenswürdigen, 88-jährigen Schwiegermutter) hatte sie sich noch der 6 einsamen Schweizer Sprachschüler erbarmt (siehe meinen Bericht über den 24. Dezember).

Es wurde ein ganz vergnüglicher Abend mit viel Essen, Trinken und argentinischen Traditionen: Zum Beispiel sollen reisefreudige Argentinier, um ihrem Reiseglück fürs nächste Jahr auf die Sprünge zu helfen, mit einem leeren Koffer einmal um den Häuserblock rennen. Zum Glück waren wir etwa 10 Personen, da konnten wir den Koffer jeweils rasch wieder weitergeben. Weiter wird um Mitternacht nicht (nur) angestossen, sondern es muss zum Glockenschlag der Kirche (welcher per Youtube eingespielt wurde) bei jedem Schlag eine Weintraube verspeist werden. Die Hamsterbacken-Gesichter nach dem zwölften Schlag könnt ihr euch sicher gut vorstellen. ¡Feliz año nuevo!

Am Schluss der Party mussten wir uns dann auch von Rafa und Nico verabschieden, meinen anderen beiden «Klassenkameraden», da diese am nächsten Tag nach Iguazú zu den Wasserfällen weiterreisten. Carmen und ich gingen dann morgens um zwei mangels freien Taxis zu Fuss nach Hause: Ein 90-Minuten-Spaziergang bei lauschigen 35 Grad Celsius…

Domingo, 1. enero

Der 1. Januar wurde dann wirklich zur Durchhalte-Übung, denn die Temperatur wollte einfach nicht runtergehen. Und schon gar nicht aus unserer Wohnung, wo die Klimaanlage allenfalls jene Wärme abzuleiten vermag, die der Kühlschrank hinzuproduziert. Weshalb wir dann am Nachmittag nach Belgrano ins Kino geflüchtet sind, wo der Saal erwartungsgemäss ins andere Extrem runtergekühlt war. Der Film jedenfalls hat prima Spass gemacht, können wir nur empfehlen: «Animales fantasticos y donde encontrarlos».

Lunes, 2. enero

Inzwischen gab es auch wieder Zuwachs in meiner Schulklasse, und Roger hatte gleich in seiner zweiten Woche Geburtstag, was natürlich gefeiert werden musste. Das Brauerei-Pub «Antares» mit rund einem Dutzend hauseigenen Bieren eignete sich hierzu perfekt. Danke nochmals Roger, war ein toller Abend!

 

¿Qué pasa con los chicos?

Die Zeit vergeht wie im Flug, nun sind wir schon bald 3 Wochen in Buenos Aires. Und wir sind völlig schlapp: cansado, desmadejado, pachucho, flácido, chof. Und das ständig, von morgens bis abends, todo el día. Dabei tun wir ja gar nichts Verrücktes. Klar, es ist ständig um die 30 Grad mit hoher Luftfeuchtigkeit, wir sind hier viel mehr zu Fuss unterwegs als zuhause, wir lernen Spanisch como loco und all die alltäglichen Kleinigkeiten brauchen immer noch etwas mehr Aufmerksamkeit als normal, weil das eine oder andere halt hier anders funktioniert. Beispiele gefällig?

1. Einkaufen

Laktosereduzierte Milch gibt’s hier zum Glück, aber das ist dann auch schon alles. Anständigen Reibkäse gibt’s nur im Carrefour, aber nicht im grossen Supermarkt. Fleisch kauft man in Stücken ab 800g aufwärts, Hackfleisch entweder in der 600g- oder 3kg-Packung. Dass alle Produkte anders aussehen und heissen ist ja eigentlich klar und hilft enorm beim Voci-Lernen. Zeigt aber auch schonungslos alle sprachlichen Lücken auf, denn ausgerechnet bei den Begriffen für Gemüse, Fleisch und Milchprodukten lässt sich für einmal nichts aus dem Französischen oder Italienischen herleiten. Für all die Mühsal entschädigt aber die grosse Weinabteilung: Hier findet man jeden erdenklichen Wein (sofern er aus Argentinien stammt) und guten Malbec gibt’s schon ab 110 Pesos (CHF 7.50).

2. Restaurants

Auch hier zeigte sich beim ersten Restaurantbesuch, dass man sich die Wörtli für die wichtigsten Lebensmittel relativ schnell auf die Lernkärtli schreiben sollte. Denn ich hatte auf’s Geratewohl „Mondongo“ ausgewählt, worauf die Serviertochter ohne Rückfrage die bestellten Kutteln servierte…

Beim ersten „Parilla“-Besuch (Fleisch-Restaurant) haben wir vorausschauend die halbe Portion bestellt. Und sind trotzdem nicht hungrig nach Hause gegangen, denn das war dann immer noch gut 350g Filet pro Person. Gestern Abend waren wir trotz vielseitigen Warnungen Pizza essen. Zwar war es recht fein, aber ein echter Italiener würde diesen runden, bunt belegten Käsetoast niemals Pizza nennen.

3. Weihnachten

An Heiligabend auswärts essen gehen, das ist im katholischen Buenos Aires eine schlechte Idee. Wissen wir jetzt, mussten wir aber auf die harte Tour erfahren. Wir machten uns um 19 Uhr auf den Weg, fuhren mit der Subte nach Palermo Hollywood (ein Quartier mit vielen feinen Restaurants), spazierten dann weiter nach Palermo Soho, Palermo viejo, Alto Palermo, Barrio Norte und Recoleta. Alles schöne Barrios und überall geschlossene Restaurants. Um halb zehn landeten wir wieder zuhause, kochten Spaghetti und tranken Malbec. ¡Qué historia!

Und sonst

Ja, und was treiben wir sonst noch, wenn wir grad mal nicht am Einkaufen, Essen, Spanisch lernen oder übers-Nichtstun-jammern sind? Wir erkunden die verschiedenen Barrios mit ihren Häusern und Cafés, wir waren schon im Kino, auf dem Friedhof (Evita Peron) und auf dem Antiquitäten-Markt (Touristenfalle). Seit einer Woche haben wir ein Fitness-Abo und gehen nun 2x pro Woche schwitzen (das geht dort auch ohne Training, denn in den alten Häusern staut sich die Hitze wunderbar). Gestern waren wir hier zum ersten Mal klettern: Die einzige Boulderhalle in der Innenstadt hat zwar die Grösse und den Charme eines ungelüfteten Hobbykellers, aber immerhin kommen wir so nicht ganz aus der Übung (@Roman: Ich werde mich nie mehr beklagen über die zu vielen Leute in Schlieren!). Und schliesslich planen wir Stück für Stück den weiteren Verlauf unserer Reise.

Am 25. Dezember hatten wir einige Skype/FaceTime-Kontakte mit unseren Lieben in der Schweiz: Es war schön zu hören, dass es Euch allen gut geht. Wir freuen uns auch über alle Kommentare hier im Blog, auf Facebook oder via E-Mail. Macht’s gut, bis bald & einen guten Rutsch ins neue Jahr!