Reisetagebuch von Christian Kaiser

Monat: März 2017 (Seite 2 von 2)

Ripper music and bonzer wine

Nach 10 Stunden Zugfahrt und 30 Minuten Zeitverschiebung erreichten wir Adelaide. Das heisst, fast, denn der Zug hält am «Parklands Terminal» und dieser ist in the middle of nowhere. Keine Busse, kein Tram, keine Taxis. Ein wenig Stirnrunzeln unsererseits, dann gingen wir halt zu Fuss los. Nachdem wir den ganzen Tag gesessen waren, tat uns ein kleiner Fussmarsch ganz gut. Also erreichten wir nach 40 Minuten unser Hotel und erfuhren dort, dass neben dem WOMADelaide gleich noch drei andere Festivals stattfanden: Das Fringe Festival (ähnlich dem Zürcher Theaterspektakel), das Adelaide Festival (Riesen-Chilbi und Events) und noch ein Food Festival. Kurz: die ganze Stadt war auf den Beinen, «Mad March» nennen das die Adelaiders. Wir stürzten uns ins Getümmel und fanden ein akzeptables Nachtessen.

Den Sonntag begannen wir (wieder einmal) mit einem superfeinen Zmorge, dann aber verkrochen wir uns wieder ins Hotel, denn es hatte so richtig zu regnen begonnen und hörte auch nicht wieder auf. Und wir hatten natürlich die meisten unserer diversen Regenklamotten in Sydney gelassen, da Tiger Air maximal 7kg Handgepäck erlaubt. Doch einmal mehr hatte Petrus ein Einsehen und gegen 18 Uhr versiegten die Tropfen. Genau richtig für uns, denn ein Open Air-Konzert ist ohne Regen entschieden besser geniessbar. Also auf in den Botanical Park, der mit 6 Bühnen und Dutzenden von Food-Ständen in ein veritables Festivalgelände umfunktioniert worden war. Da das WOMADelaide ein Weltmusik-Festival ist, assen wir unser jemenitisches Nachtessen zu japanischer Musik («Oki Dub Ainu Band»), danach hörten wir ein wenig «Bamba Wassoulou Groove» aus Mali, aber eigentlich warteten wir bis es 22:15h wurde. Und pünktlich begannen dann auf der dunklen Hauptbühne die Nebelmaschinen, dann die Scheinwerfer und schliesslich standen sie auf der Bühne und legten los: der Haupt-Act des Abends, der Grund unserer Adelaide-Reise, die «Parov Stelar Band» aus Oesterreich («we’re from the land without the ‘AL’»). Ihr erstes Konzert in Australien, und es war super. Wir tanzten, hüpften, schrien und klatschten was das Zeug hielt und genossen diesen tollen Abend. (Wer «Parov Stelar» ebenfalls mal live erleben will: am 26.8.2017 spielen sie am Zürich Openair)

Der Montag war dann schon wieder unser Rückreisetag nach Sydney, aber da der Flieger erst abends um 17h ging, schauten wir uns noch den schönen Botanischen Garten an und landeten dann schliesslich im «National Wine Centre of Australia». Könnt ihr Euch ja vorstellen, was man hier so tut. Neben einer kleinen Ausstellung stehen hier 120 verschiedene Weine zur Degustation bereit, und zwar mit einem automatisierten Dosiersystem, so dass man den Wein selber rauslassen kann. Sogar den «Penfolds Grange» kann man degustieren, allerdings kosten 2.5cl von diesem Saft lockere 37 Aussie-Dollars (die ganze Flasche gibt’s für AUD 700). Weil wir aber noch nicht in diesem Kundensegment trinken, degustierten wir ein paar andere schöne Weine. Und vom subjektiv Besten nahmen wir dann noch je ein Glas, damit wir das feine Fleischplättli nicht so trocken runterwürgen mussten…

Wine & dine in the other big smoke

Es holpert und quietscht andauernd, die weichen Sitze verströmen den Charme vergangener Zeiten, doch wollten wir es uns nicht nehmen lassen, eine Strecke in Australien im Zug zurückzulegen. So setzten wir uns also morgens um acht Uhr in Melbourne in den «Overland» Express und holperten nach Nordwesten. In Melbourne? Ach ja, davon will ich ja zuerst erzählen…

Am 8. März flogen wir von Sydney nach Melbourne. Tiger Air, Billig-Airline, Schnäppchen. Und wieso: Ende Dezember hatte ich in Buenos Aires per Zufall rausgefunden, dass Parov Stelar am 12. März in Adelaide an einem Open-Air-Konzert auftritt. «Da könnten wir ja rasch hin, ist ja nicht weit von Sydney.» – Zuerst nur so im Scherz dahingesagt, fanden wir bald raus, dass sich daraus tatsächlich ein guter Ausflug machen liess. Gesagt, gebucht.

So packten wir also letzten Mittwoch unser Handgepäck und fuhren zum Domestic Airport. Drei Stunden später sassen wir mitten in Melbournes CBD in einer lauschigen Seitengasse beim Business Lunch. Okay, wir nicht Business, aber die Geschäftsleute rund um uns herum schon. Melbourne präsentierte sich nämlich wirklich grad von der geschäftigen Seite. Dass die beiden Städte sehr unterschiedlich sind, hatten wir ja schon gehört, aber vom Ausmass waren wir dann doch etwas überrascht. Im Vergleich zu Sydney ist «Mäb’n» hektisch, eng und laut.

Hosier Lane, Street Art Gallery

Den Nachmittag und den ganzen Donnerstag verbrachten wir mit Stadtbesichtigung. Die Innenstadt ist gut zu Fuss oder mit dem Gratistram zu erkunden und danach findet man am Ufer des Yarra-Flusses garantiert ein schönes Plätzchen in einem der vielen Restaurants oder Biergärten. Was in der Schweiz oft abwertend als Graffiti bezeichnet wird, nennt man hier stolz Street Art. Fotografen beeilen sich jeweils, die besonders kreativen Bilder festzuhalten, denn oft werden sie schon rasch vom nächsten Künstler übermalt. Viel Street Art gibt’s auch in der «AC/DC Lane», benannt nach der berühmten australischen Band.

«Acca Dacca» Lane: Let there be rock!

Melbourne Street Art

Wie immer auf unseren Reisen durfte auch das Kulinarische nicht zu kurz kommen. Also gingen wir ins Queen-Victoria-Building, in die riesige alte Markthalle. Aber am dortigen Food Festival hatte es so gedrängt viele Leute, dass wir hungrig wieder flüchteten. Nach einer Odyssee durch Fastfood-Chinatown landeten wir schliesslich beim Italiener, dessen Teigwaren mit Trüffelsauce fürs lange Suchen entschädigten. Das Frühstück am nächsten Morgen toppte dann aber alles: Im Higher Ground, einer umgenutzten «Power station», gab es Toastbrot mit frischer Avocado und Lemon salt; Rührei mit Auberginen-Curry und dazu einen feinen «Flat White». Und schliesslich ebenso fein am Donnerstagabend: Kambodschanisches Dinner im modernen Docklands-Quartier: Yummy!

Kangaroo Ground (Yarra Valley)

Für den Freitag hatten wir eine Wine-Tasting-Tour ins Yarra Valley gebucht. Wir wurden im Hotel vom Minibus abgeholt und besuchten im Laufe des Tages fünf verschiedene «Cellar doors». Da die Tour nicht ausgebucht war, waren wir nur vier Gäste: Chris und John aus Ohio waren für die «Mardi Gras» Parade nach Sydney gekommen und reisten nun noch ein wenig im Land umher. Und Bill, unser Fahrer, war früher im Rohstoff-Sektor tätig und hatte in diversen Minen dieser Welt gearbeitet. Zusammen hatten wir es ganz lustig, was natürlich auch an den nicht enden wollenden Weinproben lag. Jedenfalls mussten sich die beiden Amerikaner zwischen Chardonnay, Pinot noir und «Cab Sav» ständig unsere Witze über den amerikanischen Präsidenten anhören, obwohl sie ihn doch auch nicht gewählt hatten…

Lunch at Tokar Estate Winery, Yarra Valley (Aussicht toll, Wein weniger)

Den Freitagabend verbrachten wir dann noch am MOOMBA, einem Sommerfest mit Chilbi, Wasserskirennen und Feuerwerk, und am Samstagmorgen setzten wir uns – wie schon erwähnt – in den «Overland» Express und fuhren nach Adelaide.

GSR «Overland» Express in der Southern Cross Station, Melbourne

Outback (near «Back of Bourke»)

Fat Tuesday on a Saturday

Auch in unserer zweiten Woche in Sydney rissen wir keine Bäume aus, was teilweise auch am ständigen Regenwetter lag. Ein Highlight war die «Mardi Gras» Parade am Samstagabend. Mit rund 250’000 Zuschauern sozusagen die australische Variante der Street Parade, hat der «Mardi Gras» aber einen ganz anderen, politischen Hintergrund: Schwule & Lesben kämpften für ihre Anerkennung und Gleichstellung in der Gesellschaft. Sydney ist diesbezüglich eine sehr liberale Stadt und hat dementsprechend eine grosse LGBTIQ-Bewegung (Lesbian Gay Bi Trans Inter Queer – die letzten beiden Buchstaben waren für mich neu). Im Gegensatz zum Papst meinte es der liebe Gott aber gut mit den Schwulen, denn für die Parade stellte er am Samstagabend kurz den Regen ab.

Auch «Airbnb» hatte seinen Auftritt am Mardi Gras

Unser zweiter Höhepunkt war, dass wir am Montag unser China-Visum erhielten. Nachdem wir in der Woche zuvor mit einer unglaublichen Menge an Formularen und Belegen im Visa-Center vorstellig wurden, dürfen wir jetzt also tatsächlich ins Land der Mitte einreisen. Xièxie. Und müssen deshalb dringend ein wenig Chinesisch lernen: Wǒ shì Kèlǐsīdìān, wǒ shì ruìshìrén. Nǐ hǎo mȧ?

Und sonst: Im Stadtteil Redfern entdeckten wir eine grosse und moderne Boulder-Halle (hatte nachher drei Tage Muskelkater in den Unterarmen), im Parterre unseres Hauses benutzen wir regelmässig das Hallenbad und mit viel Speis & Trank sorgen wir dafür, dass wir trotz all dem Sport nicht an Gewicht verlieren. Apropos Trinken: Ich saufe mich ja tapfer durch die Produktpalette der lokalen Kleinbrauereien, aber bis jetzt ist das Resultat sehr enttäuschend. Mein vorläufiges Verdikt: Auch bezüglich Bier ist Australien der trockenste aller Kontinente.

Fahnenschwinger an der Mardi Gras Parade

Kunst am Woolloomooloo-Pier

Kunst am Woolloomooloo-Pier

Hyde Park mit 201 Elizabeth St, ANZ Tower, Spherion und Sydney Tower Eye

Young russians play the opera house

Mit Opern kann ich nichts anfangen. Ich meine den Inhalt, nicht die Verpackung, denn während mir die auf der Bühne dargebotene Kunstform gestohlen bleiben kann, finde ich jene der Hüllengestaltung durchaus sehr interessant. Und das Sydney Opera House ist zu recht eine Architektur-Ikone geworden, auch wenn der Bau am Ende rund 15 Mal mehr kostete als ursprünglich budgetiert. (Hat da grad jemand «Elphi» gesagt?)

Glücklicherweise werden im Opernhaus aber nicht nur Opern aufgeführt, sondern es finden auch Konzerte statt. Dies wiederum eine von mir hoch geschätze Kunst. Also ergriffen wir die Gelegenheit und buchten zwei Sitzplätze: «Young Russians – Prokofiev, Rachmaninoff & Shostakovich», gespielt vom Sydney Symphony Orchestra. Sehr gut klang das, und in den Pausen hatten wir genügend Zeit für einen Architektur-Rundgang.

Jørn Utzon selber, der dänische Architekt der Oper, hat sein Bauwerk übrigens nie im fertigen Zustand gesehen. Er hatte 1966 nach einem heftigen Streit mit der Bauherrschaft die Baustelle und das Land verlassen und war danach zeitlebens nie mehr nach Australien zurückgekehrt.

 

The Lizards of Oz

Als die ersten europäischen Siedler ein Exemplar eines australischen Schnabeltiers nach England schickten, dachten die Zoologen in London, jemand habe sich einen Scherz erlaubt und dieses Ding aus verschiedenen Tierkadavern zusammengenäht. Tatsächlich gehört der Platypus als eierlegendes Säugetier mit «Plastikschnabel» eher zu den exotischen Viechern, aber er existiert! Wir haben zwei lebende Exemplare gesehen, ehrlich.

Die australische Tierwelt ist ja bekannt für ihre sonderbaren Exemplare, also mussten wir die natürlich sehen. Und weil wir auf unserer Reise nicht ganz Australien besuchen, fuhren wir eben in den Taronga Zoo. Dort waren sie alle versammelt: Känguruh, Koala, tasmanischer Tiger, Stacheltier, Leguan, Komodo-Waran und eben auch das Schnabeltier.