Reisetagebuch von Christian Kaiser

Monat: Januar 2017 (Seite 2 von 2)

El Teatro Colón

Nach knapp 6 Wochen Spanisch-Intensivkurs macht die Sprache immer noch bzw. immer mehr Freude. Inzwischen habe ich sogar ein Buch auf Spanisch gekauft, mit dem festen Ziel, dieses in den nächsten Wochen zu lesen (vielleicht hätte ich doch die E-Book-Version kaufen sollen, da wäre das Wörterbuch schon eingebaut). Nach wie vor schwierig ist es aber, die Leute auf der Strasse zu verstehen, zumal die Porteños eher schnell sprechen und die «s» verschlucken.

Um unser Sprachverständnis weiter zu trainieren, buchten wir also die Führung durchs Teatro Colón auf Spanisch. Zum Glück kriegten wir eine «Guía», die langsam und deutlich sprach, so dass wir fast alles verstanden haben.

Das Teatro Colón stammt aus dem Jahre 1908 und gehört zu den grössten und besten Opernhäusern der Welt. Der Hauptsaal fasst 3’000 Personen und ist wirklich imposant. Der Saal kann für Opern, Theater und Konzerte gleichermassen verwendet werden und dank der super Akkustik hört man auf dem Balkon im 6. Stock exakt gleich viel wie in der 2. Reihe vom Parkett. Exquisit sind auch die Pausenräume, schliesslich wurden damals in diesen Räume Kontakte gepflegt, über Eheschliessungen verhandelt und Geschäfte abgeschlossen.

Anfangs des 20. Jahrhunderts schwamm Buenos Aires wirklich im Luxus und das Theaterhaus zeigt dies deutlich: Überhohe Säle, nur mit den besten Materialien ausgestattet, sämtlicher Marmor wurde per Schiff aus Italien importiert. Über die Erstellungskosten ist mir nichts bekannt, aber als das Theater 2005 restauriert wurde, dauerten die Arbeiten 5 Jahre (statt 18 Monate) und kosteten 100 Mio. USD (statt 25). So gesehen, hat Buenos Aires also schon lange seine «Elphi».

En misión secreta

Freitag, 6. Januar: Nach unserem Nachmittags-Ausflug nach La Boca (siehe Bilder hier) war es abends mal wieder Zeit zum Abschied nehmen: Elena und Roger, die mit mir die letzten Wochen in der Schule waren, reisten nun weiter nach Salta bzw. Mendoza. Somit musste ein stilvoller Schlussabend her. Auf Roger’s Initiative gingen wir ins «Frank’s», doch das war leichter gesagt als getan.

In geheimer Mission

Das «Frank’s» funktioniert so, dass man zuerst übers Internet das richtige Passwort in Erfahrung bringen muss, sonst läuft gar nichts. Danach trifft man sich abends in einer dunklen, etwas abgelegenen Strasse von Palermo Hollywood und wundert sich schon, ob man richtig ist, doch dann sieht man das kleine Email-Schild. Wir klingeln an einer schwarzen Tür, kurz darauf öffnet sich auf Kopfhöhe ein kleiner Schieber und ein Augenpaar schaut aus dem Schlitz heraus: «¿Codigo?». Roger weiss die richtige Antwort (nein, nicht «Burt Reynolds») und schon öffnet sich die Türe.

Nun stehen wir in einer schmalen, dunklen Gasse, weiter hinten leuchtet das Neonlicht einer Telefonkabine. Aus dem Dunkel wird uns ein Zahlencode zugeflüstert. Hoffentlich haben wir diese auf Spanisch richtig verstanden. Also ab in die Kabine, Hörer abnehmen und Zahlen eintippen. Wiederum waren wir erfolgreich, denn mit einem Summen öffnet sich nun die Hinterwand der Telefonkabine, dahinter liegt die Bar!

Ein hoher Raum mit Galerie, Kronleuchtern und grosser Bartheke. Die Einrichtung ist aus den Dreissigern, alles mit dunklem Plüsch und edlem Stil, die Kellner im Livrée. Sind wir soeben durch ein Zeitloch gefallen? Die Rezepte für die Drinks stammen ebenfalls ausschliesslich aus den Dreissiger Jahren, ebenso die jazzige Musik. Wir bleiben auf ein paar Drinks und geniessen diese «Zeitblase». So muss es vor 80 Jahren in Buenos Aires gewesen sein, jedenfalls für die «happy few»…

 

Una excursión diurna a Uruguay

Ein Tagesausflug in ein südamerikanisches Land, das tönt ein wenig komisch, nicht? Ist aber von Buenos Aires aus problemlos möglich, denn hier fährt täglich der Buquebus nach Colonia («Buque» ist Spanisch für Schiff). Die älteste Stadt von Uruguay (früher mal ein Vorposten der Portugiesen) liegt auf der anderen Seite des riesigen Rio de la Plata und ist mit der Schnellfähre in einer Stunde erreichbar.

Unser Schiff – die «Silvia Ana» –  ist nicht etwa ein alter schwimmender Blechhaufen, sondern eine der schnellsten Fähren der Welt. Bis vor kurzem führte sie zudem ein Doppelleben: Im Winter, also im europäischen Sommer, verkehrte sie jeweils als Fährschiff am Skagerrak, zwischen Dänemark und Norwegen.

Erstaunlich war auch die hohe Effizienz der Zollformalitäten: Check-in und Sicherheitskontrolle wie am Flughafen, und dann ein Zoll-Schalter, wo der argentinische und der urugayische Zöllner gleich nebeneinander sitzen. Innert weniger Minuten hat man zwei Stempel mehr im Pass und ist in Uruguay eingereist, bevor man das Schiff betreten hat. Eine Kreditkartenzahlung im COTO-Supermarkt dauert sicher doppelt so lange.

Colonia del Sacramento, wie die verschlafene Kleinstadt mit vollem Namen heisst, hat ein sehr mediterranes Flair: Die malerische Altstadt, die Segelboote im Hafen und die vielen Badetouristen in den Strassencafés erinnern an Süd- oder Westfrankreich. So sind auch wir durch die Gassen und Plätze spaziert, haben uns in einem Park ausgeruht und in einem Strassencafé einen Espresso getrunken. Und auf einmal wurde uns bei all dieser Ruhe und Gelassenheit bewusst, dass wir zum ersten Mal seit 4 Wochen aus der Grossstadt raus waren. – ¡Qué tranquilidad!

In einem Restaurant mit Terrasse zur Strasse hin (wirklich wie in Frankreich!) haben wir dann beim Mittagessen gleich das uruguayische Nationalgericht ausprobiert: Das «Chivito» enthält alles was lecker (und dementsprechend ungesund) ist, nämlich Fleisch mit Speck, Schinken und Käse überbacken, mit Pommes und russischem Salat, Oliven und Tomaten, und von alldem nicht zu wenig.

Nach einem geruhsamen Tag sind wir nach einer letzten Cerveza wieder zum Hafen runtergewatschelt und aufs Schiff. Auf der Überfahrt drängten wir – wie alle Argentinier – in den Duty Free. Die argentinischen Importzölle sind so hoch, dass dieser Laden einen unglaublichen Umsatz macht. Auch wir kauften ein, nämlich zwei Tafeln Schweizer Schoggi. Und als das Schiff in Buenos Aires anlegte, waren wir wieder «zu Hause».

Cambio del año

Seit dem letzten Artikel ist es schon eine Weile her. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist bei uns nach drei Wochen eine gewisse Alltagsroutine eingetreten, was keineswegs negativ gemeint ist. Vielmehr haben wir hier unseren Rhythmus gefunden, womit sich unser Fokus wieder vermehrt auf Genuss und Freizeitaktivitäten gerichtet hat. Zum andern war es in den letzten Tagen hochsommerlich heiss und feucht, deshalb sind wir tageweise rumgehängt wie tote Fliegen: Am Silvester war die gefühlte Temperatur («Sensación Térmica») gemäss Wetterbericht 40.7 Grad Celsius.

Miércoles, 28. diciembre

Dennoch waren wir über den Jahreswechsel nicht untätig: Nebst dem täglichen Spanisch-Unterricht waren wir am letzten Mittwoch zu einem feinen Mittagessen in einem andalusisch bzw. maurisch angehauchten Patio, welcher sich zwar mitten im Zentrum befindet, aber für Unkundige kaum zu finden ist. Danach blickten wir für einmal «von oben herab» auf BsAs, nämlich von der Aussichtsplattform in der «Galeria Güemes».

Schliesslich verabschiedeten wir uns bei ein paar Bier von Mirjam und Martin, zwei Schweizer Weltenbummler, mit denen ich jetzt 3 Wochen in der Schulklasse war. Die beiden machen nun in den kommenden Monaten mit ihrem roten VW-Bus Argentinien unsicher.

Jueves, 29. diciembre

Am Donnerstag besuchten wir das MAMBA. Das hat nix mit der Schlange zu tun, sondern ist die Abkürzung für das «Museo de Arte Moderna de Buenos Aires». Hier haben uns zwei Dinge gefallen: Die grosse Ausstellung von Picasso-Zeichnungen und die Tatsache, dass das Museum dank Klimaanlage auf eine erträgliche Temperatur runtergekühlt war.

Anschliessend spazierten wir durch das aufgemotzte Hafenviertel Puerto Madero, wo wir dann schliesslich auch noch eine Platte Sushi verdrückten. Puerto Madero ist zwar ein modernes Quartier, aber irgendwie werden wir damit nicht warm. Das Quartier mit seinen umgebauten Lagerhäusern und seinen Glas- und Stahl-Hochhäusern könnte überall auf der Welt stehen: Ebenso austauschbare Architektur gibt’s in Hamburg, Oslo, Liverpool, Seattle usw. – zum Teil sogar mit denselben Restaurant-Ketten. Ich verstehe ja, dass auch die Porteños etwas Internationalität in ihrer Stadt haben möchten, doch für uns bleibt Puerto Madero ein Fremdkörper in unserem Bild von Buenos Aires.

Sábado, 31. diciembre

Am Samstagabend waren wir dann an der Silvesterparty von Graciela, meiner Spanisch-Lehrerin. Nebst der eingeladenen Verwandschaft (von der 14-jährigen, händysüchtigen Nichte bis zur liebenswürdigen, 88-jährigen Schwiegermutter) hatte sie sich noch der 6 einsamen Schweizer Sprachschüler erbarmt (siehe meinen Bericht über den 24. Dezember).

Es wurde ein ganz vergnüglicher Abend mit viel Essen, Trinken und argentinischen Traditionen: Zum Beispiel sollen reisefreudige Argentinier, um ihrem Reiseglück fürs nächste Jahr auf die Sprünge zu helfen, mit einem leeren Koffer einmal um den Häuserblock rennen. Zum Glück waren wir etwa 10 Personen, da konnten wir den Koffer jeweils rasch wieder weitergeben. Weiter wird um Mitternacht nicht (nur) angestossen, sondern es muss zum Glockenschlag der Kirche (welcher per Youtube eingespielt wurde) bei jedem Schlag eine Weintraube verspeist werden. Die Hamsterbacken-Gesichter nach dem zwölften Schlag könnt ihr euch sicher gut vorstellen. ¡Feliz año nuevo!

Am Schluss der Party mussten wir uns dann auch von Rafa und Nico verabschieden, meinen anderen beiden «Klassenkameraden», da diese am nächsten Tag nach Iguazú zu den Wasserfällen weiterreisten. Carmen und ich gingen dann morgens um zwei mangels freien Taxis zu Fuss nach Hause: Ein 90-Minuten-Spaziergang bei lauschigen 35 Grad Celsius…

Domingo, 1. enero

Der 1. Januar wurde dann wirklich zur Durchhalte-Übung, denn die Temperatur wollte einfach nicht runtergehen. Und schon gar nicht aus unserer Wohnung, wo die Klimaanlage allenfalls jene Wärme abzuleiten vermag, die der Kühlschrank hinzuproduziert. Weshalb wir dann am Nachmittag nach Belgrano ins Kino geflüchtet sind, wo der Saal erwartungsgemäss ins andere Extrem runtergekühlt war. Der Film jedenfalls hat prima Spass gemacht, können wir nur empfehlen: «Animales fantasticos y donde encontrarlos».

Lunes, 2. enero

Inzwischen gab es auch wieder Zuwachs in meiner Schulklasse, und Roger hatte gleich in seiner zweiten Woche Geburtstag, was natürlich gefeiert werden musste. Das Brauerei-Pub «Antares» mit rund einem Dutzend hauseigenen Bieren eignete sich hierzu perfekt. Danke nochmals Roger, war ein toller Abend!