Montag: gross, grösser, am Grössten

In Beijing ist alles riesig. Der Flughafen ist elend gross (der zweitgrösste der Welt), die Hauptstrassen sind extrem breit und der Verkehr ist immens. Schon im Taxi zum Hotel lernten wir, dass hier auf den Strassen schonungslos das Recht des Stärkeren angewendet wird. Dies galt auch für die engen Gassen im Hutong, wo unser Hotel lag, nur waren es hier nicht Autos, sondern Velos und Elektro-Roller, die einem aus beiden Richtungen hupend um die Ohren flitzten. Unser Hotel war eine kleine Oase inmitten von diesem Gewusel und Lärm. Die Anlage liegt mitten im 南锣鼓巷 (Nan·luo·gu·xiang) Hutong, also in einer der wenigen verbliebenen Altstadtsiedlungen, wo noch die traditionellen einstöckigen Hofhäuser stehen.

Auch unser erstes Restaurant war gross, zwar nicht zur Strasse hin, aber nach hinten erstreckte es sich auch wieder über einen ganzen Hinterhof und bot Platz für Hunderte von Personen. Auf der Speisekarte waren tatsächlich Hühnerfüsse, Kaninchenköpfe, grillierte Frösche und andere Grässlichkeiten zu finden, doch glücklicherweise servierte man auch scharfes Poulet, Gemüse und Rindfleisch. Super fein und höllisch scharf! Beim Verlassen des Restaurants stellten wir fest, dass draussen Leute rumstanden und auf Einlass warteten: Es ist hier tatsächlich üblich, dass man – wie in der Schweiz auf der Post – ein Nümmerli zieht und dann aufgerufen wird, sobald wieder ein Tisch frei geworden ist.

Chinesisch, mit viel Scharf!

Dienstag: Widerstand ist zwecklos

Am Dienstag nahmen wir uns die Verbotene Stadt vor. Da uns die U-Bahn-Verbindung eher umständlich schien (zweimal umsteigen auf 5 Stationen), stiegen wir wieder in ein Taxi. Schliesslich waren wir am Vortag für 20 RMB (ca. 3 Franken) zum Hotel gefahren worden. Nun ist aber auch das Verkehrschaos in Beijing gigantisch, speziell in der Innenstadt. Nach knapp einer halben Stunde Taxifahrt waren wir erst etwa 500m weit gekommen und der Zähler stand schon bei 30 RMB. Zu Fuss gehen wäre schneller und günstiger gewesen. Wir begannen schon zu beraten, ob wir das Taxi einfach stoppen und aussteigen sollten, da lichtete sich der Stau und wir kamen doch noch ans Ziel.

Vorwärts, Marsch, Besichtigen!

Das heisst, fast, denn schon an der Ecke zum Tian’anmen-Platz blieben wir in einer Menschenmenge stecken. Diese bewegte sich langsam in die gewünschte Richtung und schliesslich merkten wir, dass wir hier für einen ersten «Security Check» anstanden. Kaum an diesem vorbei, krochen wir mit der Menge in Richtung Eingang. Vorab hatten wir noch versucht, die Tickets übers Internet zu kaufen, doch da die Seite ausschliesslich in Mandarin gehalten war und auch die Übersetzungsmaschine nicht weiterhelfen konnte, hatten wir das Unterfangen aufgeben müssen. Stattdessen standen wir nun am Ticketschalter an und hofften auf kurze Wartezeiten. Aber auch mit Ticket ging das Anstehen weiter, denn als nächstes holten wir uns noch einen Audioguide und mussten noch durch eine zweite Sicherheitskontrolle. Wie alle andern liessen wir das stoisch über uns ergehen, denn: «Resistance is futile», das sagten schon die Vogonen und die waren auch etwa so freundlich wie hier die Sicherheitsleute und Angestellten.

Die Halle der höchsten Harmonie

Zum Glück hatten wir einen Tag erwischt, an dem es nicht so viele Besucher hatte, aber «viel» ist ja ein relativer Begriff, denn die Verbotene Stadt wird im Jahr von ca. 16 bis 20 Millionen Personen besucht. Damit die Leute sich nicht ständig gegenseitig auf den Füssen stehen, wird die Menge an täglich verkauften Tickets auf 80’000 begrenzt. Trotzdem hatten wir auch im Kaiserpalast drin ständig das Gefühl, als befänden wir uns in einem Ameisenhaufen: Zusammen mit allen anderen Touristen krabbelten wir durch Tore, über Höfe, schauten in Gebäude hinein, und die Mauern und Paläste wollten kein Ende nehmen. Nach drei Stunden hatten wir dann aber langsam genug von all den Superlativen: Wir schlichen uns wieder auf die Strasse raus, kauften ein Glacé und spazierten am Wassergraben entlang nach Süden.

Der Tempel des unermüdlichen Souvenirjägers

Als nächstes schauten wir uns die überdimensionierte silberne Kaffeebohne an, bzw. das National Centre for the Performing Arts oder im Volksmund: Staatsoper. Auch dieses Gebäude ist vor allem darauf ausgelegt, mit Superlativen aufzutrumpfen. So soll es beispielsweise den Konzertsaal mit dem weltweit längsten Echo haben (1.6 Sek.). Es hatte mit Sicherheit auch den weltweit schlechtesten Kaffee, aber darauf wurden die Besucher nicht extra hingewiesen.

Prahlerische Staatsoper (NCPA)

Danach wollten wir auf den nahen Tian’anmen-Platz, doch die ersten beiden Zugangsstrassen wurden durch Polizeiposten abgeriegelt. Erst nach einem grösseren Umweg erreichten wir endlich den Platz, der ja – Vorsicht, Superlativ – der grösste Platz der Welt sein soll. Mit dem klotzigen Mausoleum mittendrin wirkte er dennoch etwas verstellt. (Die Russen haben den Lenin wenigstens an den Rand des Roten Platzes gestellt.)

Auf dem Tian’anmen-Platz (Platz am Tor des Himmlischen Friedens)

Weil uns nun schon länger die Sonne in den Nacken brannte, flüchteten wir uns ins nahe Eisenbahnmuseum, um uns dort etwas abzukühlen und ein paar Eisenbahnen anzuschauen. Doch die Chinesen schafften es doch tatsächlich, auf drei Stockwerken Fotos, Informationen und Landschaftsmodelle zu zeigen, ohne aber auch nur eine einzige richtige Lok oder wenigstens eine Modelleisenbahn auszustellen!

Ein gigantisches Stadtmodell

Schliesslich besuchten wir noch die Beijing Planning Exhibition Hall, hier gab’s mal wieder ein Stadtmodell sowie einen Film über Beijings Zukunft zu sehen: In den nächsten Jahren will die Regierung rund um Beijing herum elf neue Satellitenstädte bauen und dann einen Teil der Stadtbevölkerung dorthin aussiedeln, um so die Innenstadt zu entlasten und damit wieder lebenswerter zu machen. Zusätzlich sollen zwei neue Tangentialstrassen den bereits kollabierten Verkehr wieder zum Fliessen bringen. Der Film tönt wie das Werbevideo einer Immobilienfirma und man möchte sich ob den vollmundigen Ankündigungen schon fast ein wenig lustig machen, doch weil man sieht, in welchem Tempo und mit welcher Konsequenz sich China entwickelt, bleibt einem das spöttische Lächeln im Hals stecken.