Am 3. Mai hatte Buddha Geburtstag. Jedenfalls dieses Jahr, denn seine Anhänger richten sich nach dem Mondkalender. Die Koreaner (zu je rund 30% Buddhisten, Christen oder konfessionslos) feierten das mit dem Lotus-Laternenfestival. Schon zwei, drei Wochen vorher hatten sie begonnen, bei den Tempeln bunte Lampions aufzuhängen und kurz darauf wurden dann in der ganzen Stadt die Strassen bunt behängt. Am Wochenende vom 28./29. April fand das grosse Geburtstagsfest statt, mit einem Umzug auf der Jung-gu am Samstagabend und einem Strassenfest am Sonntag. Und natürlich wurde in allen Tempeln gefeiert, speziell im Jogye-sa.
Die Glockenstrasse (deutsch für Jung-gu) ist die 12-spurige Hauptstrasse durch Seoul. Normalerweise ist es für Fussgänger fast unmöglich, sie zu überqueren, doch für den grossen Umzug war sie für den Verkehr gesperrt worden. Am Rand der Strasse waren in abgesperrten Bereichen Plastikstühle aufgereiht worden. Wir erkundigten uns naiv, wieviel denn der Eintritt kosten würde, und staunten, als die freiwilligen Helfer uns beschieden, dass die Plätze gratis seien. Also setzten wir uns und erhielten gleich einen Lampion. Die ältere Dame, die uns die Kerze anzündete, konnte kein Englisch, doch ein anderer Gast übersetzte ihren Wortschwall: Die Plätze, auf die wir uns gesetzt hätten, seien nicht gut genug für uns Touristen, meinte sie; wir sollten doch auf der nahen Tribüne Platz nehmen. Wow, welche Gastfreundschaft! Wir lehnten aber dankend ab und genossen den Umzug von den «billigen Plätzen» aus. Während mehr als zwei Stunden zogen dann die verschiedenen Gruppen vorbei, jede mit ihren grossen Laternen und einige mit Musikanten oder Tanzgruppe, ganz Seoul schien an diesem Umzug teilzunehmen. Schön war das!
Am Sonntag schauten wir uns den Jogye-sa Tempel an, dessen Vorplatz vollständig von Lampions überdeckt war. Dieser eindrückliche und sinnliche Baldachin musste aus tausenden solchen Laternen bestanden haben! Am nahen Strassenfest interessierten uns vor allem die diversen Essstände. Am besten waren eindeutig die taiwanesischen Gemüse-Pfannkuchen, da mussten wir sogar ein zweites Mal am Stand vorbei.
Inzwischen ist dieser Monat in Seoul schon wieder vorüber. Zwar hatten wir schon vor ein paar Tagen begonnen, uns auf die bevorstehende China-Reise vorzubereiten, und wir freuten uns auch sehr auf die Weiterreise, doch fiel es uns so schwer wie noch nie zuvor, unsere Unterkunft zu verlassen. Wir hatten unser schönes «Hüsli» und die verwinkelten Gassen im Quartier wirklich lieb gewonnen. So kam in den letzten Tagen auf dem Heimweg jeweils schon ein wenig Wehmut auf, im Wissen darum, dass wir bald weiterziehen würden…
Seoul wird uns also in sehr guter Erinnerung bleiben. Nun sind wir auf dem Weg nach China, und was wir dort erleben werden, wird hier schon bald zu lesen sein.