Vor ein paar Tagen waren wir endlich wieder einmal wandern. Und zwar «richtig», nicht bloss so auf einen kleinen Namsan hoch. Diesmal wollten wir in den Bukhansan Nationalpark, der nördlich von Seoul teilweise noch auf Stadtgebiet liegt. Dank dem ausgedehnten U-Bahnnetz konnten wir gleich mit der Metro dorthin fahren.

Und wir hätten auch gut nackt hingehen können, denn auf den paar hundert Metern von der Bahnstation bis zum Start des Wanderwegs reihte sich ein Ausrüstungsladen an den nächsten: Thermo-Unterwäsche, Wanderhosen, Softshells, Rucksäcke, Wanderstöcke, Getränkeflaschen, Proviant und so weiter, man hätte sich hier von Grund auf einkleiden und ausrüsten können. Jede westliche und östliche Outdoor-Marke war mit einem Laden vertreten, und das ganze Angebot war an Kleiderstangen und auf Tischen bis direkt an den Wegrand gestellt.

Bei der Wanderausrüstung verstehen die Koreaner im Fall keinen Spass! Wir hatten das schon bei den Wochenend-Ausflüglern gesehen, die jeweils perfekt ausgerüstet auf den Ingwansan stiegen, jenen Hügel hinter unserem Quartier, dessen Wanderweg gleich bei uns um die Ecke beginnt. Jede(r) von denen trug modische Outdoor-Kleidung, neuste Trekkingschuhe, die besten Wanderstöcke und eine farbige Sonnenmütze. Vorne an den Rucksackträgern hatten sie mit Karabinern Trinkflasche und Kompass befestigt sowie praktische Handschlaufen. Da konnten wir nicht mithalten. Als Reisende mit beschränktem Gepäck für verschiedene Klimazonen mussten wir bei fast jedem Outfit Kompromisse eingehen.

Trotzdem wagten wir uns in dieses Wanderparadies, doch eigentlich wussten wir ja noch gar nicht recht, wohin wir denn genau wandern würden. Im Internet stand nämlich, dass man bei der Touristeninformation eine kleine Karte kriegen könne, und darauf vertrauten wir blind. Tatsächlich erblickten wir am Ende unseres Shopping-Spiessrutenlaufens den Info-Pavillon, und noch bevor wir einen weiteren Gedanken fassen konnten, wurden wir von einer netten Dame praktisch angefallen: Ob wir denn schon wüssten, wohin wir wandern wollten, wie lange unsere Tour denn so sein sollte, mit welchem Schwierigkeitsgrad und was wir unterwegs anschauen wollten. Ruckzuck wurden wir mit allen nötigen und vielen weiteren Informationen eingedeckt, nun konnte es losgehen. Und vor allem hatten wir jetzt ein Ziel: Auf den Jaunbong wollten wir steigen, einen der höchsten Gipfel im nördlichen Teil des Parks.

Bis zum Gipfel waren es zwar nur 3km, doch diese hatten es in sich: 700 Höhenmeter galt es zu erklimmen, ganz schön steil also. Das erste Stück vom Weg war breit und gut ausgebaut, dafür waren wir auch nicht ganz die einzigen Wanderer: Obwohl wir unter der Woche unterwegs waren, wälzten sich Hundertschaften von Koreanern durch den Wald. Später wurde der Weg steiler und felsiger, und die Weggefährten wurden seltener. Auf halber Strecke kamen wir an einem einsamen Tempel vorbei, kurz danach an einem abschüssigen Felsrücken, der auf der englischen Karte nur als «The Rock» verzeichnet war. Gegen den Gipfel hin wurde der Weg nun wirklich uhuere steil, doch plötzlich erblickten wir vor uns eine breite, gezimmerte Treppe. Diese führte uns bequem die letzten 50 Höhenmeter hoch, bis auf ein kleines Bödeli zwischen den beiden Gipfeln. Komisch, oder? Aber bei 10 Mio. jährlichen Besuchern im Nationalpark ist es verständlich, dass sie hier die Wege gut ausbauen, ich will mir ja nicht ausmalen, wie der Weg sonst aussehen würde. Zudem hätte dann das «Rescue Center», welches ganz in der Nähe vom «The Rock» lag, wohl einiges mehr zu tun.

Die letzten Meter zum Gipfel mussten wir uns noch erklettern, denn ganz hinauf führten die Stufen dann doch nicht. Damit es trotzdem jeder hinauf schafft, war aber ein Geländer montiert worden. Oben angekommen, hatten wir dann eine ziemlich coole Aussicht. Jedenfalls hatte ich vorher noch nie von einem Berg runter direkt auf ein Meer von Hochhäusern geschaut…