Reisetagebuch von Christian Kaiser

Kategorie: Südkorea (Seite 1 von 2)

생일 축하 해요, 부처님 – Happy birthday, Buddha

Am 3. Mai hatte Buddha Geburtstag. Jedenfalls dieses Jahr, denn seine Anhänger richten sich nach dem Mondkalender. Die Koreaner (zu je rund 30% Buddhisten, Christen oder konfessionslos) feierten das mit dem Lotus-Laternenfestival. Schon zwei, drei Wochen vorher hatten sie begonnen, bei den Tempeln bunte Lampions aufzuhängen und kurz darauf wurden dann in der ganzen Stadt die Strassen bunt behängt. Am Wochenende vom 28./29. April fand das grosse Geburtstagsfest statt, mit einem Umzug auf der Jung-gu am Samstagabend und einem Strassenfest am Sonntag. Und natürlich wurde in allen Tempeln gefeiert, speziell im Jogye-sa.

Die Glockenstrasse (deutsch für Jung-gu) ist die 12-spurige Hauptstrasse durch Seoul. Normalerweise ist es für Fussgänger fast unmöglich, sie zu überqueren, doch für den grossen Umzug war sie für den Verkehr gesperrt worden. Am Rand der Strasse waren in abgesperrten Bereichen Plastikstühle aufgereiht worden. Wir erkundigten uns naiv, wieviel denn der Eintritt kosten würde, und staunten, als die freiwilligen Helfer uns beschieden, dass die Plätze gratis seien. Also setzten wir uns und erhielten gleich einen Lampion. Die ältere Dame, die uns die Kerze anzündete, konnte kein Englisch, doch ein anderer Gast übersetzte ihren Wortschwall: Die Plätze, auf die wir uns gesetzt hätten, seien nicht gut genug für uns Touristen, meinte sie; wir sollten doch auf der nahen Tribüne Platz nehmen. Wow, welche Gastfreundschaft! Wir lehnten aber dankend ab und genossen den Umzug von den «billigen Plätzen» aus. Während mehr als zwei Stunden zogen dann die verschiedenen Gruppen vorbei, jede mit ihren grossen Laternen und einige mit Musikanten oder Tanzgruppe, ganz Seoul schien an diesem Umzug teilzunehmen. Schön war das!

Am Sonntag schauten wir uns den Jogye-sa Tempel an, dessen Vorplatz vollständig von Lampions überdeckt war. Dieser eindrückliche und sinnliche Baldachin musste aus tausenden solchen Laternen bestanden haben! Am nahen Strassenfest interessierten uns vor allem die diversen Essstände. Am besten waren eindeutig die taiwanesischen Gemüse-Pfannkuchen, da mussten wir sogar ein zweites Mal am Stand vorbei.


Inzwischen ist dieser Monat in Seoul schon wieder vorüber. Zwar hatten wir schon vor ein paar Tagen begonnen, uns auf die bevorstehende China-Reise vorzubereiten, und wir freuten uns auch sehr auf die Weiterreise, doch fiel es uns so schwer wie noch nie zuvor, unsere Unterkunft zu verlassen. Wir hatten unser schönes «Hüsli» und die verwinkelten Gassen im Quartier wirklich lieb gewonnen. So kam in den letzten Tagen auf dem Heimweg jeweils schon ein wenig Wehmut auf, im Wissen darum, dass wir bald weiterziehen würden…

Seoul wird uns also in sehr guter Erinnerung bleiben. Nun sind wir auf dem Weg nach China, und was wir dort erleben werden, wird hier schon bald zu lesen sein.

도봉 산에서 – In den Dobong-Bergen

Vor ein paar Tagen waren wir endlich wieder einmal wandern. Und zwar «richtig», nicht bloss so auf einen kleinen Namsan hoch. Diesmal wollten wir in den Bukhansan Nationalpark, der nördlich von Seoul teilweise noch auf Stadtgebiet liegt. Dank dem ausgedehnten U-Bahnnetz konnten wir gleich mit der Metro dorthin fahren.

Und wir hätten auch gut nackt hingehen können, denn auf den paar hundert Metern von der Bahnstation bis zum Start des Wanderwegs reihte sich ein Ausrüstungsladen an den nächsten: Thermo-Unterwäsche, Wanderhosen, Softshells, Rucksäcke, Wanderstöcke, Getränkeflaschen, Proviant und so weiter, man hätte sich hier von Grund auf einkleiden und ausrüsten können. Jede westliche und östliche Outdoor-Marke war mit einem Laden vertreten, und das ganze Angebot war an Kleiderstangen und auf Tischen bis direkt an den Wegrand gestellt.

Bei der Wanderausrüstung verstehen die Koreaner im Fall keinen Spass! Wir hatten das schon bei den Wochenend-Ausflüglern gesehen, die jeweils perfekt ausgerüstet auf den Ingwansan stiegen, jenen Hügel hinter unserem Quartier, dessen Wanderweg gleich bei uns um die Ecke beginnt. Jede(r) von denen trug modische Outdoor-Kleidung, neuste Trekkingschuhe, die besten Wanderstöcke und eine farbige Sonnenmütze. Vorne an den Rucksackträgern hatten sie mit Karabinern Trinkflasche und Kompass befestigt sowie praktische Handschlaufen. Da konnten wir nicht mithalten. Als Reisende mit beschränktem Gepäck für verschiedene Klimazonen mussten wir bei fast jedem Outfit Kompromisse eingehen.

Trotzdem wagten wir uns in dieses Wanderparadies, doch eigentlich wussten wir ja noch gar nicht recht, wohin wir denn genau wandern würden. Im Internet stand nämlich, dass man bei der Touristeninformation eine kleine Karte kriegen könne, und darauf vertrauten wir blind. Tatsächlich erblickten wir am Ende unseres Shopping-Spiessrutenlaufens den Info-Pavillon, und noch bevor wir einen weiteren Gedanken fassen konnten, wurden wir von einer netten Dame praktisch angefallen: Ob wir denn schon wüssten, wohin wir wandern wollten, wie lange unsere Tour denn so sein sollte, mit welchem Schwierigkeitsgrad und was wir unterwegs anschauen wollten. Ruckzuck wurden wir mit allen nötigen und vielen weiteren Informationen eingedeckt, nun konnte es losgehen. Und vor allem hatten wir jetzt ein Ziel: Auf den Jaunbong wollten wir steigen, einen der höchsten Gipfel im nördlichen Teil des Parks.

Bis zum Gipfel waren es zwar nur 3km, doch diese hatten es in sich: 700 Höhenmeter galt es zu erklimmen, ganz schön steil also. Das erste Stück vom Weg war breit und gut ausgebaut, dafür waren wir auch nicht ganz die einzigen Wanderer: Obwohl wir unter der Woche unterwegs waren, wälzten sich Hundertschaften von Koreanern durch den Wald. Später wurde der Weg steiler und felsiger, und die Weggefährten wurden seltener. Auf halber Strecke kamen wir an einem einsamen Tempel vorbei, kurz danach an einem abschüssigen Felsrücken, der auf der englischen Karte nur als «The Rock» verzeichnet war. Gegen den Gipfel hin wurde der Weg nun wirklich uhuere steil, doch plötzlich erblickten wir vor uns eine breite, gezimmerte Treppe. Diese führte uns bequem die letzten 50 Höhenmeter hoch, bis auf ein kleines Bödeli zwischen den beiden Gipfeln. Komisch, oder? Aber bei 10 Mio. jährlichen Besuchern im Nationalpark ist es verständlich, dass sie hier die Wege gut ausbauen, ich will mir ja nicht ausmalen, wie der Weg sonst aussehen würde. Zudem hätte dann das «Rescue Center», welches ganz in der Nähe vom «The Rock» lag, wohl einiges mehr zu tun.

Die letzten Meter zum Gipfel mussten wir uns noch erklettern, denn ganz hinauf führten die Stufen dann doch nicht. Damit es trotzdem jeder hinauf schafft, war aber ein Geländer montiert worden. Oben angekommen, hatten wir dann eine ziemlich coole Aussicht. Jedenfalls hatte ich vorher noch nie von einem Berg runter direkt auf ein Meer von Hochhäusern geschaut…

아름다운 전망 과 불필요한 지식 – Schöne Aussicht und unnötiges Wissen

Am 26. April nahmen wir den Namsan in Angriff, das ist so etwa der Üetliberg von Seoul. Auf dem Planetenweg, äähh, nein, auf dem «North Namsan Circuit» stiegen wir auf den südlichen Hausberg von Seoul. Die Stadtmauer, die sich ebenfalls über diesen Hügelkamm zieht, hatte früher einmal die Stadt gegen Süden abgeschlossen und beschützt, doch heute haben die Häuser den Namsan umzingelt, direkt unter der Mauer liegt Itaewon und dahinter zieht sich das Häusermeer bis zum Han-Fluss und darüber hinaus.

Blick nach Süden: Auch ennet dem Han-Fluss spriessen die Wohntürme

Wie es sich für einen Hausberg gehört, steht auf dem Gipfel ein Aussichtsturm. Beim N Seoul Tower ist aber vermutlich schon das 5-stöckige Shoppingcenter im Fuss des Turms höher als der Üetlibergturm. Auf ungefähr halber Höhe befinden sich drei Stockwerke mit Aussichtsterrasse, Souvenirshop und Drehrestaurant. Mit seinen 236m Höhe ist der Turm ein Wahrzeichen von Seoul und ist von fast jedem Ort in der Stadt zu sehen.

N Seoul Tower, Seouls «Üetlibergturm»

Es scheint, dass wir ein Faible für Städte mit solchen Türmen haben (siehe Auckland und Toronto), jedenfalls mussten wir auch hier hinauf zur Aussichtsterrasse, um ein paar Fotos durch die dreckigen Scheiben zu schiessen. Die Aussicht war wiklich imposant, denn die Häuser – und mitunter Hochhäuser – erstrecken sich bis zum Horizont, egal in welche Richtung man schaut.

Aussicht nach Nordosten: Hochhäuser so weit das Auge reicht

Am Fuss des Turms – so hat es sich etabliert – hängen Seouls Liebespaare gerne «Locks of Love» auf: Vorhängeschloss kaufen, mit Namen und Herzli beschriften, am Geländer der Aussichtsplattform festmachen, Schlüssel fortwerfen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Liebe ewig hält, ganz nach dem mittelhochdeutschen Vorbild von «Du bist mîn, ich bin dîn […] verloren ist das slüzzelîn». Jetzt wäre Seoul aber nicht Seoul, wenn das Schlösser-Aufhängen nicht genaustens reglementiert wäre! Wo kämen wir denn da hin mit der Statik, wenn all die Romantiker ihre 100 Gramm Eisen irgendwo an die Terrasse hängen würden. Also gibt’s hier «Heart Lock Zones» und strenge Vorschriften:

«Die Schlösser ausser erlaubter Bereich werden entfernt für sicherstellen Ausicht Recht für ‹Bürger›…»

Und wenn wir schon bei der Organisation sind: Es gibt sicher U-Bahnen mit besserer Signaletik als die Seoul Metro, aber die Stationspläne, speziell bei den Umsteigestationen, die sind super (wenn man sie denn findet). Und vor allem sind die Pläne jeweils so gedreht, dass es für den Betrachter stimmt. Gerade für uns Koreanisch-Analphabeten ist das extrem hilfreich, wir gehen auch so noch oft genug in die verkehrte Richtung…

Wie komm ich jetzt am schnellsten zum Ausgang 10?

Muss man mal auf die Metro warten, dann hat’s an den Stationen überall Fernsehmonitore. Diese zeigen neben Werbung auch immer wieder mal ein Notfallvideo: Wie man sich bei Feuer/Rauch zu verhalten hat (Schutzmaske anziehen), oder wie man einen Verletzten wiederbelebt (CPR). Die entsprechenden Hilfsmittel stehen an jeder Station griffbereit in einem Glaskasten. Jede Unterführung und U-Bahn-Station ist bei den Eingängen auch gross und rot als «Shelter» angeschrieben, immer wieder eine kleine Erinnerung, dass der «bö Fei» im Norden mit seinen Raketen zeuselt.

TGV-Technologie von Alstom: Der Korea Train eXpress (KTX)

Um das Thema Eisenbahn abzuschliessen: Natürlich musste ich auch mal an den Hauptbahnhof gehen, um Koreas TGV, also den KTX zu fotografieren. Bei dieser Gelegenheit bin ich auch gerade den beiden Maskottchen der kommenden Winter-Olympiade begegnet, welche ja bekanntlich in Südkorea stattfinden wird.

Tiger und Bär, die Olympiade wird fair.

Das nächste grosse politische Ereignis sind die Präsidentschaftswahlen, die am nächsten Dienstag, 9. Mai entschieden werden. Nicht weniger als 15 Kandidaten bewerben sich um die Nachfolge der abgesetzten Geun-hye Park. Schon seit ein paar Wochen hängen überall Plakate und plärren mobile Lautsprecher, vor ein paar Tagen haben wir auch noch Wahlwerbung in den Briefkasten erhalten. Läuft also alles gleich wie zuhause.

Noch strahlen alle 15 Kandidaten, nächsten Dienstag wird’s nur noch einer sein.

Echt visionär sind die Leute, wenn es ums Thema Geschichte geht. Für uns ist diese immer rückwärtsgewandt: Wir graben in der Vergangenheit und fragen uns, wie die Leute wohl vor 400 Jahren gelebt hatten, womit sie sich wohl befasst hatten. Die Einwohner von Seoul haben sich hingegen gefragt, wie wohl in 400 Jahren die Menschen in die heutige Zeit zurückschauen werden. Um sicherzustellen, dass diese Frage dann in ferner Zukunft auch richtig beantwortet werden kann, haben sie bei der 600-Jahre-Hauptstadt-Feier 600 Gegenstände in die Millenium Time Capsule verstaut und diese in einem futuristischen Monument einbetoniert. Am 23. November 2394, bei der 1’000-Jahr-Feier, soll sie dann wieder geöffnet werden. Ist doch eine super Idee, oder? Was würdest Du in eine solche Kapsel stecken? Und welche Schlüsse werden die Menschen in 400 Jahren daraus ziehen?

셀카 궁전 – Im Selfie-Palast

Gyeongbokgung (der westliche Palast) und Changdeokgung (der östliche Palast) sind die beiden wichtigsten Paläste in Seoul. Im Changdeokgung wohnte noch bis ins 19. Jahrhundert die koreanische Königsfamilie, bis 1895 die japanischen Invasoren kamen und die Kaiserin ermordeten. Nach diesem «unfriendly takeover»  wurden die Paläste von der japanischen Besetzungsmacht nicht unbedingt gepflegt und auch der zweite Weltkrieg und der Koreakrieg trugen nichts zum Erhalt der Anlagen bei. Wenn die Tempel heute trotzdem aussehen wie neu, so hat das einen ganz einfachen Grund: Sie sind weitgehend neu.

Heute sind sie ein wichtiges Identifikationsmerkmal der Koreaner, um sich von den Japanern und Chinesen kulturell abzugrenzen. Natürlich kann man die Paläste besichtigen und wer einen Hanbok trägt, darf sogar rein, ohne Eintritt zu bezahlen. Deshalb gibt’s rund um die Paläste Geschäfte, wo man diese traditionellen Kleider mieten kann. Und zumindest die weibliche Hälfte der Jugend scheint das Schiessen von «Hanbok-im-Palast-Selfies» als aktive Freizeitbeschäftigung zu betreiben: Meiner Einschätzung nach gibt es in Korea kaum ein Teenie-Mädchen, das nicht mindestens ein Foto auf dem Händy hat, wo es im Hanbok vor irgendeiner Tempelwand posiert. Nun, dagegen ist nichts einzuwenden, es verschönert ja die Touristenfotos…

승가원 연꽃돌이 팬시우드 만들기 – Making Character Fancy Wood of Lotus Flower Boy

Wow, schon ist’s Mai. Die letzten Tage und Wochen vergingen wie im Flug und dem aufmerksamen Blog-Leser wird nicht entgangen sein, dass ich schon länger nichts mehr veröffentlicht habe. Schreibstau? Nein, wir geniessen bloss das schöne Frühlingswetter und sind entsprechend viel unterwegs. Und die Zeit zuhause (unser Hanok-Innenhof ist perfekt im Frühling) habe ich letzte Woche mit der weiteren Reiseplanung verbracht statt mit Blog schreiben.

Hier deshalb eine kurze Aufarbeitung der letzten zwei Wochen, ich beschränke mich auf ein paar Sätze, denn erstens werde ich das literarische Niveau vom letzten Bericht sowieso nicht halten können und zweitens scheint draussen schon wieder die Sonne und wir wollen doch noch so viel tun und sehen in Seoul…

Sehenswürdigkeiten

Als Architekturfans besichtigten wir natürlich Seouls «Top sights», von der historischen Stadtmauer mit ihren Stadttoren über die prächtigen Paläste und Parks bis zu den modernen und futuristischen Gebäuden von nationalen und internationalen Architekten.

Geunjeongmun-Tor im Gyeongbokgung Palast

Huwon (oder auch Secret Garden) hinter dem Changdeokgung Palast

Sungnyemun, das westliche Stadttor

Die pilzförmige Dongdaemun Design Plaza (kurz DDP) von Zaha Hadid

Zugang zur unterirdischen Ewha Womans University vom französischen Architekten Dominique Perrault

Besonders begeistert haben mich die Hanoks, deren Grundriss und Raumaufteilung einerseits sehr platzsparend, andererseits auch sehr grosszügig ist. Während im touristischen Bukchon Hanok Village die Hanoks oft zu Läden und Cafés umfunktioniert wurden, kann man im Namsangol fünf alte Herrschaftshäuser besichtigen.

Herrschaftlicher Hanok im Namsangol

Museen & Ausstellungen

Das City Wall Museum vermittelte uns ein gutes Bild der historischen Stadt und vom Aussichtsturm N Seoul Tower herab konnten wir diese Eindrücke mit der Gegenwart vergleichen. Das etwas schrullige Modern Design Museum hatte unter anderem eine Sammlung von alten Händis und Haushaltgeräten, und das DDP (siehe oben) zeigte eine Ausstellung von Pixar’s analogen Künstlern (Zeichnungen und Skulpturen, die im Vorfeld eines Animationsfilms entstehen).

Hatten wir doch früher auch mal zuhause: Kassettengeräte im Modern Design Museum

Die verschiedenen Gesichter der Grossstadt

Wir lieben das Gewusel der Grossstadt, dieses unaufhörliche Treiben, das einem auf den ersten Blick chaotisch vorkommt und das man im Laufe seines Aufenthalts zu verstehen versucht. Nach jeder Strassenecke zeigt sich wieder ein anderes Bild der Stadt und manchmal sind es nur wenige Meter, die eine geschäftige Ladenstrasse von einem ruhigen Park trennen, oder eine einladende Food Street von einem abgestandenen Hinterhof (auch die heruntergekommensten Orte sind hier sehr sicher).

Shopping auf Koreanisch in der Myeong-dong

Schmale Gasse im Seokchon Hanok Village

Wenn wir aus dem Haus gehen, führt uns der Weg zuerst durchs ruhige Hanok-Dorf (an alten, rauchenden Männern vorbei), dann durch die belebte Jahamun-ro-Strasse mit ihren Restaurants und Cafés (junge, gutgekleidete Paare). Kurz darauf gehen wir am Palast vorbei (Mädchen in traditionellen Trachten, mit Selfie-Sticks) durchs geschäftige Regierungsviertel (Anzüge und schwarze Limousinen). Gleich neben dem Cheonggyechon (verliebte Paare jeden Alters und Hundespaziergänger) liegt die Insa-dong mit ihren Arts & Crafts-Läden, die ganz ein anderes Publikum anzieht als das Studentenviertel Hongdae oder der Namdaemun Markt.

Quartierstrasse im Sinchon-dong

«Railway Book Park», Hongdae (eine frühere Eisenbahnstrecke, heute ein Park mit Buchläden, daher der Name)

Kulturelle Aktivitäten

Natürlich ist die Sprachbarriere in Asien immens, was es schwierig macht, mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt zu treten. Zwar zaubern wir den Leuten ein Lächeln aufs Gesicht, wenn wir sie mit einem betont unspektakulären «Aniyong hase-joo» begrüssen oder uns mit «Kam-sam-ni-daa» bedanken, aber mit diesen zwei Floskeln erschöpft sich unser Koreanisch dann auch schon. Um dennoch nicht den ganzen Monat «isoliert» zu verbringen und um grad auch noch ein wenig koreanische Kultur mitzubekommen, haben wir in einer Probelektion Taekwondo ausprobiert, einen koreanischen Kochkurs besucht, sind mit einem Guide durch das Seochon Hanok Village spaziert und haben – ich führ das jetzt auch mal unter «Kulturelles» auf – den Coiffeur aufgesucht.

Selber gekocht, koreanisch und fein: Einer unserer vier Gänge in der «Four Seasons Cooking Class»

Taekwondo Experience – mit «durchsichtigem» Gürtel, …

… Lehrmeister und ich in Abwehrposition

Essen

Hab ich schon mal erwähnt, dass das Essen hier ziemlich köstlich ist? Im Kochkurs haben wir einiges dazugelernt, wieviele verschiedene Gemüse es hier gibt und was die Koreaner alles an Seafood verspeisen. Seither ist das Einkaufen etwas einfacher geworden und auch an die diversen Essens-Stände in der Stadt gehen wir nun viel mutiger heran. Wir essen uns quer durch frittierte Teigtaschen, koreanische Hamburger, leckeres Bibimbap, taiwanesische Omeletten, getrockneten Tintenfisch und immer wieder mal geniessen wir ein koreanisches Barbecue. Bald bringen wir den Gürtel nicht mehr zu…

Wieder einmal ein koreanisches BBQ…

PS: Wer sich über den Titel vom Artikel wundert: «Making Character Fancy Wood of Lotus Flower Boy» stand an einem Marktstand eines NGO als Übersetzung des koreanischen Titels. Wir wissen auch nicht, was damit gemeint ist, aber es steht sinnbildlich für die vielen englischen Texte, wo meist ein paar Worte bunt zusammengewürfelt werden. Manchmal versteht man’s und manchmal eben halt nicht…

어디 그림자 위협모르도르의 땅에서 – Im Lande Mordor, wo die Schatten drohen

Chung Ju-yung wuchs in den Zwanziger Jahren in der Kangwŏn-Provinz auf, welche heute in Nordkorea liegt. Schon 1946 gründete er Hyundai, doch kam der Betrieb bei Kriegsausbruch zum Erliegen und Chung flüchtete nach Busan. Aber kaum hatten die UNO-Truppen Seoul zurückerobert, brachte er die Firma wieder auf Trab und Hyundai wurde ein globaler Konzern. Chung vergass aber nie seine «nordkoreanische» Heimat, deshalb setzte er sich sehr für die Normalisierung der inner-koreanischen Beziehungen ein. 1998, inzwischen 83jährig, reiste er mit 1’001 Kühen in den Norden und verteilte diese an die arme Bevölkerung in seiner Heimatprovinz. Weshalb genau 1’001 Kühe? Nun, als 17jähriger war er zuhause ausgerissen und nach Seoul gereist, um dort arbeiten zu können. Um die Fahrt zu finanzieren, hatte er damals eine Kuh seines Vaters verkauft. Nun wollte er diese eine Kuh zurückbringen, die 1’000 weiteren Kühe bezeichnete er als Zinsen.

Dana, unsere Reiseleiterin, erklärt die Situation an der DMZ

Chung Ju-yung tat aber noch weit mehr für sein Land, so finanzierte er z.B. auch den Bau der Unification Bridge, einer kilometerlangen Strassenbrücke bei Paju, 50km nördlich von Seoul. Und genau über diese Brücke fuhren wir heute. Seit wir in Seoul in den Reisebus eingestiegen waren, hatte sich die Landschaft schleichend verändert: auf der linken Seite war die Autobahn auf einmal mit Stacheldraht abgesichert und in regelmässigen Abständen folgten militärische Wachtürme. Auf der anderen Seite des Flusses lag nämlich Nordkorea. Der Unterschied war offensichtlich: In Südkorea sind die Hügel bewaldet, in Nordkorea kahl: abgeholzt von den Leuten, die Brennholz für ihre Häuser brauchten. Und nun also die «Unification Bridge». Sie ist nicht sehr stark befahren, denn auf der nördlichen Seite liegen nur zwei Dörfer, ein Bahnhof und ein Militärcamp.

Dorasan: Es fährt kein Zug nach Nirgendwo

Wir fahren zuerst zum Bahnhof Dorasan. Das moderne Gebäude wurde 2003 eröffnet, in jener Zeit waren die inner-koreanischen Beziehungen gerade etwas besser. Doch trotz dem Schild «Pyeongyang 205km» fährt hier kein Zug nach Norden, und auch Richtung Süden gibt es nur vier Verbindungen im Tag. Es ist ein Geisterbahnhof, aber auch ein Symbol: «Wir sind bereit für die Öffnung» scheint die Anlage zu sagen, doch der Norden hört nicht. Stattdessen sendet er: Die Stille dieses Ortes wird von Lautsprechern gestört, es erklingen patriotische Marschmusik und anti-westliche Propaganda. Unsere Tourguide gesteht allerdings ein, dass auch der Süden den Norden beschallt, allerdings «quäle» man die Nachbarn vorwiegend mit K-Pop-Musik.

Die längsten 205km der Welt…

Als nächstes fährt uns der Bus einen kleinen Hügel hoch zum Dora Observatory, einem Militärstützpunkt. Von hier hat man einen guten Überblick über das Tal und die 4km breite Demilitarisierte Zone (DMZ). Wir sehen bis weit nach Nordkorea hinein, zur Stadt Kaesong und zu den Bergen dahinter. Am auffallendsten ist aber das Dorf Kijŏngdong, welches auf der nördlichen Seite in der DMZ steht. Dieses Propaganda-Dorf besteht einzig aus bemalten Betonwänden, es beherbergt keine Bewohner. Zusammen mit seinem 160m hohen Fahnenturm sollte es Macht und Präsenz demonstrieren, doch seit der Erfindung von Teleskop-Linsen und Satelliten ist dieser Effekt etwas verpufft.

Ferngläser nach Norden: Bei klarem Wetter sieht man bis 27km nach Nordkorea hinein

Wenig später fahren wir weiter zum «Third Infiltration Tunnel». Dieser war von den Nordkoreanern in 73m Tiefe aus dem Fels gesprengt worden und wurde 1978 dank den Aussagen eines Überläufers entdeckt. Wir steigen auf einer Rampe in den beklemmend engen Stollen hinunter und können rund 260m davon in gebückter Haltung begehen. Die Gesamtlänge ist 1’635m, wovon 435m auf der südlichen Seite der DMZ liegen. Offensichtlich hätte der fertige Tunnel dazu dienen sollen, eine grosse Anzahl Soldaten rasch nach Südkorea einmarschieren zu lassen. Nebst diesem Tunnel wurden noch drei andere entdeckt, und man nimmt an, dass es noch weitere unentdeckte Tunnels gibt.

Vorne die Südgrenze der DMZ, hinten das Propaganda-Dorf Kijŏngdong mit Fahnenturm

Ganz in der Nähe des «Third Tunnels» liegt Camp Bonifas, ein Militärcamp der UNO-Friedenstruppen. Hier angekommen, übernimmt das Militär die Leitung unserer Tour: Befehlston, Passkontrolle, Briefing. Dann wird’s ernst: Wir steigen in einen Militärbus, unser Reisecar bleibt im Camp. Ein ROK-Soldat (Republic of Korea) am Steuer, ein US-Army am Mikrofon. Wir passieren den ersten Checkpoint, die Stimmung im Bus wird verhalten. Nach wenigen hundert Metern der zweite Checkpoint, jetzt sind wir in der DMZ, also im Niemandsland vor der Grenze. Eigentlich heisst es ja «Military Demarcation Line» (MDL), nicht Grenze.

Die DMZ ist Niemandsland (links Südkorea, rechts DMZ)

Schliesslich erreichen wir Panmunjeom, auch als Joint Security Area (JSA) bekannt. Hier wurden 1953 der Waffenstillstand verhandelt und die Kriegsgefangenen ausgetauscht. Die Zone steht unter UNO-Verwaltung, die Grenze verläuft durch die Mitte. Beide Parteien haben hier ein Gebäude, dazwischen stehen – genau auf der MDL – drei hellblaue Uno-Baracken, in denen man sich für Verhandlungen trifft. Als Überwacher des Waffenstillstandsabkommens stehen hier übrigens Schweizer und Schwedische Offiziere im Einsatz, seit 1953. Es ist der erste und am längsten andauernde Auslandeinsatz der Schweizer Armee.

Ein gespenstischer Ort. Die Betonlinie zwischen den UNO-Baracken markiert die MDL

Auf der Südseite des «Freedom House» steigen wir aus dem Bus, inzwischen ist die Anspannung bei allen Touristen sichtbar. Die Soldaten bellen kurze Kommandos und in Zweierreihe geht es ins Haus. Auf der grossen Treppe folgen letzte Instruktionen, wann und in welche Richtung Fotos erlaubt sind und schon treten wir auf den Platz hinaus. 20 Meter bis zu den Baracken, 30m bis zur Grenze, und auf der anderen Seite des Platzes thront abweisend das nordkoreanische Gebäude: Alle Vorhänge sind zugezogen, überall sind Kameras montiert, am Eingang steht ein Soldat Wache (die US-Soldaten nennen ihn «Bob»). Auf unserer Seite sind rund ein Dutzend südkoreanische und amerikanische Soldaten im Einsatz, «for your protection», wie uns versichert wird. Vorwärts Marsch und wir dürfen in die UNO-Baracke rein. Der mittlere Sitzungstisch steht genau auf der Grenzlinie, d.h. die hintere Hälfte der Hütte steht in Nordkorea! Vor dem «Hinterausgang» stehen aber zwei ROK-Soldaten in furchteinflössender Taekwondo-Kampfstellung, denen man auch von dieser Seite her nicht zu Nahe kommen will.

Die ROK-Soldaten bewachen die Türe nach Nordkorea.

Die Soldaten erlauben uns noch kurz ein paar Fotos, dann führen sie uns zurück. Auf der Rückfahrt im Bus beginnt sich die Spannung zu lösen, auch beim amerikanischen Soldaten, der nun Fragen beantwortet.

Panmunjeom ist ein absurder und beklemmender Ort, und wir haben jetzt eine leise Ahnung davon, was es wohl noch alles brauchen wird, bis dieses Land wieder zusammenfindet.

Und hier ist «Bob», der einzige Nordkoreaner, den wir bislang zu Gesicht bekommen haben…