Reisetagebuch von Christian Kaiser

Kategorie: Patagonien (Seite 1 von 2)

Campo del Hielo Sur

Gleich vorneweg: Was ich hier vor ein paar Tagen über hinterlistige Gletscher gemotzt hatte, das gilt nur für argentinische Gletscher. Die chilenischen Eiswände sind da viel zeigefreudiger. Aber der Reihe nach: 14. Februar, Puerto Natales, das Mietauto war abgegeben, Körper und Seele wieder in Form gebracht, es konnte also weitergehen. Und so verbrachten wir die nächsten drei Tage an Bord der M/N Skorpios III, um auf der Kaweskar-Route das südliche Eisfeld zu entdecken.

Wir gingen also auf eine Kreuzfahrt. Wobei ich gleich präzisieren muss: Wer jetzt an diese Riesenviecher mit 2’000 Kabinen, 12 Restaurants und Joggingstrecke auf Deck 9 denkt, der liegt falsch. Die «Skorpios» hat Platz für maximal 90 Passagiere, auf unserer Fahrt waren es 56. Ansonsten ist aber vieles den «richtigen» Ozeandampfern nachempfunden: Das Sonnendeck heisst auch hier so, es gibt ständig was zu Essen und alle Getränke sind inbegriffen (irgendwann hab ich die Pisco Sour’s nicht mehr gezählt…). Und ja, wir haben das Durchschnittsalter mächtig nach unten gezogen.

Beim ersten Abendessen zeigte die Vorstellungsrunde, dass die Passagiere zwar aus neun verschiedenen Staaten kamen, die meisten aber aus den USA. Wir teilten den (fest zugeteilten) Tisch mit je einem Paar aus England, Wisconsin und Australien/Neuseeland und hatten eindeutig die beste Tischrunde erwischt. Jedenfalls waren wir nach jedem Essen die letzten, die den «Comedor» verliessen, meist nachdem wichtige Themen wie US-Politik, Rugby oder Reisen mit viel britischem Humor abgehandelt worden waren.

In der ersten Nacht war das Schiff so weit nach Norden gefahren, dass wir nach dem Frühstück den riesigen Amalia-Gletscher erreichten. Hier wurden wir per Beiboot auf eine Landzunge vor dem Gletscher gefahren. Vor 15 Jahren wären wir hier noch an der Gletscherzunge gestanden, aber inzwischen hat sich diese rund 1.5km zurückgezogen, so dass wir noch einen kleinen Spaziergang vor uns hatten. Schon unterwegs hörten wir es ständig knallen und donnern: Die im Eis eingeschlossene Luft kommt unter der grossen Last immer mehr unter Druck und sucht sich dann einen Weg nach draussen. Zudem verzögerte sich unser Spaziergang etwas, weil uns eine kleine Herde Huemuls (Andenhirsche) «im Weg» stand: Diese seltenen und eigentlich scheuen Tiere liessen sich aber nicht gross von unserer Anwesenheit stören und bereicherten unsere Gletscherfotos mit einem zusätzlichen Sujet. Diese schossen wir von einem Beobachtungsfelsen, von welchem aus wir die ganze Frontwand der Amalia im Blickfeld hatten und auch die diversen Eis-Abbrüche beobachten konnten.

Als nächstes fuhr die «Skorpios» zum El Brujo-Gletscher. Auch hier brachte uns das Beiboot wieder näher heran, diesmal aber auf einen kleinen Felsen direkt vor der Wand. Und El Brujo liess sich nicht lumpen, da könnte sich der Perito Moreno ein Beispiel nehmen: ständig brach irgendwo Eis ab und donnerte ins Wasser hinunter. Ein riesengrosses Portal (sicher 50m hoch und 60m breit) brach innert einer halben Stunde völlig in sich zusammen, die grössten Abbrüche lösten gar eine so grosse Flutwelle aus, dass einzelne Beobachter sich eine höhere Stelle auf dem Felsen suchen mussten, um nicht nass zu werden. Wir kamen kaum aus dem Staunen raus und wollten gar nicht mehr zurück aufs Schiff.

Während dem Mittagessen zogen dann immer mehr Eisberge draussen vor dem Fenster vorbei und ab und zu rummste es durchs ganze Schiff, wenn die «Skorpios» mal wieder in einen reingefahren war. Irgendwann wurde es dann aber zuviel und das Schiff ging vor Anker. Aber die Schiffsgesellschaft hat hier draussen einen kleinen Eisbrecher stationiert, und so konnten wir noch ein paar Kilometer weiter in die Eiswüste vom Fiordo Calvo hineinfahren und die verschiedenen Gletscher (Fernando, Capitán Constantino, Alipio) aus der Nähe betrachten. Auch eine Kolonie «Lobos del Mar» und viele Kormorane bekamen wir zu Gesicht.

Am dritten Tag besuchten wir im Fiordo de las Montañas den Alina- und den Bernal-Gletscher, am Nachmittag folgte ein Ausflug mit dem Beiboot an der Angostura White. Hier nisteten Kormorane, Kondore und andere Vögel, zudem tanzten wieder einmal ein paar Delfine um unser Boot. Am Abend folgte standesgemäss das Captains Dinner mit Buffet und Tanz, und am nächsten Morgen mussten wir leider schon wieder von Bord.

El Frigorífico de Puerto Bories

Nach 2’750km Fahrt quer durch Patagonien endete unsere Autoreise in Puerto Natales, bei 51° 43′ 39″ südlicher Breite. Hier gaben wir mit einem «Lo siento, esta un poco sucio» unseren saumässig verdreckten, aber zuverlässigen Suzuki zurück. Eigentlich wäre Puerto Natales (knapp 20’000 Einwohner) ein schönes, lebendiges Städtchen, doch abgesehen vom Besuch in zwei feinen Restaurants und einer Lavaderia haben wir es links liegengelassen.

Grund dafür war unser super Hotel: Für den Abschluss unserer Patagonien-Reise (und auf Empfehlung von Paola, Danke Dir!) hatten wir uns einen hotelmässigen Höhepunkt ausgesucht: Das Hotel «The Singular» befindet sich in den ehemaligen Kühlhäusern der «Sociedad Explotadora de Tierra del Fuego». Diese Firma hatte hier im «Frigorífico Bories» zwischen 1915 und 1971 Millionen von patagonischen Schafen geschlachtet und deren Fleisch und Wolle nach Europa verschifft. Zeitweise war sie der grösste Arbeitgeber in Patagonien gewesen. Die Backsteingebäude waren im postviktorianischen englischen Stil erbaut worden, das meiste Baumaterial stammte aus Europa und war von den Schiffen als Ballast mitgebracht worden, bevor diese dann mit Fleisch und Wolle beladen wieder zurückfuhren. Seit 1996 stehen die Gebäude unter Denkmalschutz und vor ein paar Jahren wurde der Gebäudekomplex zum Luxushotel und Industriemuseum umfunktioniert. Dank den hohen Auflagen der Schutzbehörde wurde die Original-Einrichtung sowie all die Maschinen im Gebäude belassen, was dem Hotel ein einzigartiges Ambiente verlieh.

Hier also liessen wir es uns zwei Nächte lang gut gehen, um uns von den Wanderungen und vom vielen Wind im «Torres del Paine» Nationalpark zu erholen. Unser «Wellness-Paket» umfasste ein paar Cerveza Austral, ein Guanaco-Filet zum Znacht, eine Massage, eine gute Portion stabiles Internet und ein riesiges Hotelzimmer und -bett mit Ausblick auf den Fjord von Puerto Natales. Beste Voraussetzungen, um die Höhepunkte unserer Reise nochmals Revue passieren zu lassen: Die grossartige, karge Landschaft, unsere schönen Wanderungen, die vielen Tierbeobachtungen, die Bekanntschaft mit Leuten, die in dieser abgelegenen Gegend leben und immer noch ein Stück von hiesigen Pioniergeist versprühen.

Torres del Viento

Als ich vor Jahren mein letztes aktives Pfadiamt abgab, bekam ich zum Abschied ein Abo vom «Lonely Planet» Reisemagazin geschenkt. In einer dieser Ausgaben war ein grosser Bericht über den Torres del Paine Nationalpark, dessen Bilder sicher mitverantwortlich für die jetzige Reise waren. Im Text stand aber auch, dass es in Patagonien «immer winde». Ich verstand nicht, weshalb das extra betont wurde, schliesslich weht auch in der Schweiz öfters mal der Wind und wir finden das nicht sehr erwähnenswert.

Vor ein paar Tagen aber wurde mir die Bedeutung jener Aussage klar und deutlich. Angefangen hatte es schon in El Chaltén, mehr dann in El Calafate, und auf dem Weg zum Torres del Paine war es nicht mehr zu ignorieren, nämlich: Hier windet es immer! Und zwar wie wenn jemand dieses ganze südliche Patagonien beim «Sauber»-Rennstall in Hinwil in den Windkanal gestellt hätte (kein Wunder, ging denen das Geld aus). Im Hotel pfiff Tag und Nacht der Wind durch die Ritzen und manchmal tönte es so, als würde gleich ein Fenster zerspringen. Auf all unseren Spaziergängen und Wanderungen blieben wir mehrmals unfreiwillig stehen, kamen fast vom Weg ab, oder mussten uns an einem Felsen festhalten, weil grad wieder so eine richtige, langanhaltende Bö über uns hinwegfegte. Selbstredend, dass wir meistens Gegenwind hatten und bei jeder Bö auch eine Handvoll Sand in die Augen flog. Während einer Autofahrt hatten wir einmal so viel Rückenwind, dass die von den Pneus aufgewirbelten Steine ans eigene Heckfenster prasselten.

Okay, es windete also. Aber abgesehen davon ist dieser Nationalpark wirklich schön. Man kann ja nicht jeden Tag haushohe Eisberge am Seeufer bestaunen (Lago Grey) oder einem Schwarm Kondoren beim Kreisen zusehen. Und dann diese imposanten Berge: Die drei «Torres»-Granitpfeiler und die «Cuernos» sind schon sehenswert, und ich sag das, obwohl wir in der Schweiz ja wahrlich genug Berge haben. Unsere Wanderung zur Laguna Torres haben wir zum Glück frühzeitig begonnen, denn wir sahen die Bergspitzen gerade noch eine Viertelstunde lang, bevor sie in den Wolken verschwanden. Auf dem Rückweg erreichten uns dann schon die ersten Regentropfen und zwar waagrecht von hinten, denn über uns hatte es gar keine Wolken. Hatte ich den Wind schon erwähnt?

Amigos suizos en Patagonia

Aber Themenwechsel: Am Abend nach der Wanderung trafen wir nämlich Freunde. Wir hatten im Oktober rausgefunden, dass Dominik und Fränzi per Zufall zur gleichen Zeit die fast gleiche Reiseroute geplant hatten. Aber eben nur fast, denn sie starteten ein paar Tage später. Also waren sie uns während zwei Wochen ständig auf den Fersen, aber wir waren nie zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Weil sie aber längere Streckenabschnitte fuhren, holten sie auf: in El Calafate kamen sie am gleichen Tag an, an dem wir morgens weitergefahren waren. Und im Torres del Paine sollte es nun endlich klappen. Zwar lag ihre Estancia rund 30km von unserem Hotel weg, also fuhren wir zu ihnen und hatten einen schönen Abend mit feinem Nachtessen (@Dominik: Danke nochmals für die Einladung, wir revanchieren uns dann in ein paar Monaten in der Schweiz!)

La gasolina

Bloss, die Estancia war nicht 30 sondern 50km von unserem Hotel weg, somit hatten wir 100 Zusatzkilometer gemacht. Und da es im Nationalpark keine Tankstellen gibt, wird man überall gewarnt, dass man vollgetankt reinfahren und stets auf die Tankanzeige schauen sollte. Haben wir auch gemacht, bloss fiel diese Anzeige immer tiefer. Als wir nach unserem Ausflug wieder im Hotel waren, zeigte sie noch etwa 10% an, aber bis zur nächsten Tankstelle waren’s 140km. Mir war schon vorher klar, dass es knapp werden würde, also hatte ich bereits auf Dominiks Estancia nach Benzin gefragt (hatten keines) und danach hatten wir versucht, mit Schlauch und Kanister bei Dominiks vollgetanktem Auto Benzin abzuzapfen (ging auch nicht, diese modernen Schlitten haben so einen Diebstahlschutz, da kannst du nicht mehr einfach einen Schlauch reinhalten und saugen).

Also fuhren wir am nächsten Morgen mit einem Kribbeln im Bauch los, so schaltaktiv und anständig wie noch nie, ständig den Blick auf der «Miles per Gallon»-Anzeige und auf der Benzinuhr. Ich bin sicher, das Ding hätte schon bald angefangen zu blinken oder piepsen, hätten wir nicht «irgendwo» noch 10 Liter Gasolina aufgetrieben (ich sag aber nicht wo, denn offiziell dürfen sie ja keins verkaufen). Jedenfalls erreichten wir Puerto Natales ohne schieben, wandern oder stöppeln-Kanister-kaufen-und-zurück-stöppeln. Viel schlimmer, wir erreichten die Tankstelle mit noch knapp 19 Litern im Tank! Diese Tankanzeigen sind so was von auf sicher getrimmt, wir hätten die teuer erkauften Zusatzliter gar nicht gebraucht. Hätten uns die Nervosität und das ganze Tam-Tam sparen können, und der Gartenschlauch auf Dominiks Estancia wär jetzt auch nicht 2m kürzer…

El Glaciar insidioso

Hinterlistig, so richtig fies und hinterhältig. Anders kann man diesen Gletscher nicht bezeichnen. Ständig donnert und platscht es, weil wieder irgendwo ein Stück Eis von der riesigen Frontwand abbricht und ins Wasser klatscht, aber nie sieht man was! Man kann minutenlang ein extrem abbruchgefährdetes Stück Eis anschauen, doch nichts bewegt sich. Und kaum schaut man mal weg, kracht und platscht es wieder. Meistens sieht man noch ein wenig Gischt und in den besseren Fällen eine Welle, die sich halbkreisförmig vor der Wand ausbreitet, aber sicher nie den Abbruch selber. Ich sag Euch, der Perito Moreno macht das extra!

Und es ist eine grosse Kunst, hier unerkannt sein Eis abzuwerfen, denn kaum ein Gletscher auf der Welt steht so unter Beobachtung, wie der Glaciar Perito Moreno. Auch wir haben uns in den Touristenstrom eingefügt, sind mit dem Schiff an der Südostwand vorbeigefahren, mit dem Steigeisen auf eine kleine Gletschertour (inklusive einem Whisky «on the Rocks» zum Tour-Abschluss), haben dann während dem Zmittag eine Stunde lang die bis zu 70m hohe Eiswand beobachtet, sind schliesslich mit dem Schiff zurückgefahren und zu den Aussichtskanzeln gebracht worden. Hier, am Punkt wo der Gletscher den See durchquert hat und am anderen Ufer anschlägt, hat man beste Aussicht auf die sonnenbeschienene Nordostwand, wo eigentlich noch mehr spektakuläre Abbrüche zu beobachten sein sollten. Also haben wir nochmals eine Stunde hingeschaut, aber wieder nichts gesehen. Eben, siehe oben, hinterlistig.

Las montañas famosas

Zwei Tage in El Chaltén, im Mekka der Outdoor-, Camper- und Backpacker-Szene. Wir taten, was hier alle tun: tagsüber wandern und fotografieren, dann zum «après-hike» mit Kaffee und Kuchen ins Strassencafé sitzen und die spektakuläre «Skyline» geniessen.

Am Samstag wanderten wir bei traumhaftem Wetter den «Sendero Laguna Torre» zum Mirador Maestri und am Sonntag bei immer noch gutem Wetter den «Sendero al Cerro Fitzroy» bis zur Laguna de los Tres. Mehr gibt’s dazu nicht zu berichten, Bilder sagen ja bekanntlich mehr als Worte…

Ruta Nacional Nº 40

Paso Roballos

Nach 60km Fahrt durch das einsame Valle Chacabuco öffnete sich die Landschaft und wir erreichten den Paso Roballos und damit die Grenze zu Argentinien. Die Ausreise aus Chile war einfach: Eine Computerabfrage, drei Stempel, man wünschte uns eine gute Reise und öffnete das Tor. Muy tranquilo, wir waren erst das zweite Auto an diesem Tag. Dann fuhren wir 11km durchs Niemandsland. Einmal schreckten wir einen Adler auf, ein andermal musste ich wegen einem Gürteltier voll auf die Bremse stehen (und gleich raus mit der Fotokamera, aber ohne Erfolg; Das kleine Ding hatte sich versteckt!). Die Einreise nach Argentinien war dann ein wenig bürokratischer, der junge Grenzwächter musste sich sichtlich konzentrieren, um in die richtigen Bücher die jeweils korrekten handschriftlichen Einträge zu machen. Und dazwischen musste er noch zweimal den Hund aus der Hütte verscheuchen. Doch schliesslich kriegten wir auch hier alle nötigen Stempel und durften weiterfahren. Egal auf welcher Seite, die Arbeit als Grenzwächter an diesem Übergang ist ein einsamer Job.

Bajo Caracoles

Als nächstes erwartete uns wiedermal eine Schotterpiste, wobei diese auf der argentinischen Seite viel breiter, dafür weniger präpariert war. Inzwischen waren die Berge einem weitläufigen Hügelland gewichen, mit sandigen Böden und gelben Grasbüscheln. An einem Teich fanden wir nebst Enten auch ein paar Flamingos, und auf der Strasse gab es ab und zu flüchtende Guanacos und so komische Rennvögel (Nandus oder so, keine Ahnung?). Nach einer Stunde erreichten wir Bajo Caracoles, wo wir ein kleines Vermögen für Benzin, Kaffee und Sandwich ausgaben (einzige Tankstelle im Umkreis von 300km = klassisches Angebotsmonopol). Wenigstens sprach der Typ an der Tankstelle wieder jenen Spanischdialekt, den wir in Buenos Aires gelernt hatten.

Ruta 40 – Para Principantes

Ab Bajo Caracoles fuhren wir auf der «Ruta Nacional Nº 40», jener Hauptstrasse, die quer durchs Land führt, von der bolivianischen Grenze im Norden bis zum Cabo Virgenes, dem südlichsten Punkt auf argentinischem Festland. Unser heutiges Teilstück war «bubi-einfach», es war alles asphaltiert, er herrschte praktisch kein Verkehr und meist ging es zwischen zwei Kurven 10 bis 25km geradeaus.

Estancia La Angostura

Trotzdem mussten wir dann mal abbiegen, weil irgendwo da in der weiten Pampas von Santa Cruz jene Estancia lag, wo wir die nächste Nacht verbringen würden. Sie lag ziemlich versteckt in einem Flusstal, bot eine komfortable und herzliche Unterkunft, und ein gutes Asado zum Znacht (ein ganzer Cordero war geschlachtet worden). Auf der Ranch hatte es Rinder, Schafe, Flamingos, Enten, Falken und die obligaten Hunde und Katzen. Alles ganz idyllisch, wäre da nicht der «Bus Aleman» gekommen: Ein Bus mit 35 Deutschen, die hier ebenfalls ihr Asado futterten und dann in Kojen im Bus-Anhänger übernachteten.

¡Viva la Corrupción!

In der Nacht auf Freitag hatte es ein wenig geregnet. Beim feinen Zmorge ergab sich ein längerer Schwatz mit unserer Dueña, die uns kurz die aktuelle Wetter- und Strassensituation erklärte, oder vielmehr die Auswirkungen der argentinischen Korruption. Nämlich gab es auf der RN40 eine Baustelle. Die beauftragte Baufirma hatte schon mal die alte Schotterstrasse entfernt und verlangte dann nochmals Geld für den Bau der Teerstrasse. Inzwischen hatte aber die Regierung gewechselt und der Chef der Baufirma war plötzlich in der «falschen» Partei. Jedenfalls wurde er der Korruption überführt und eingelocht, und die Baufirma hat auf der Strassenbaustelle alles stehen und liegen gelassen. Resultat: Auf der Ruta 40 fehlen 72km Strasse! Also ungefähr wie wenn die A1 zwischen Bern und Fribourg fehlen würde. Und weil es hier die ganze Nacht geregnet hatte, war unklar, ob die «Strasse» überhaupt passierbar war. Als Alternativen schlug uns die nette Dame eine Stadtbesichtigung von Gobernador Gregores oder eine Umfahrung via La Julia (+150km) vor.

Ruta 40 – Para avanzados

Aber wie wir halt so sind, wollten wir erst mal selber hinfahren und sehen. Die ersten Kilometer war alles gut, aber dann tauchten die ersten Baustellenschilder auf: «Peligro» und so. Zudem hatte es wieder zu regnen begonnen. Irgendwann war dann der Kies tatsächlich fertig und vor uns lag nur noch ein lehmiger Acker. Wir fuhren jetzt noch mit 30-40km/h, mit 4×4 und Differentialsperre und schlingerten dennoch einigermassen unkontrolliert quer über die breite Piste hin und her.

Embarrancado

Nach einer guten halben Stunde trafen wir auf ein chilenisches Paar, das mit seinem Kombi steckengeblieben war. Natürlich hielten wir an, und zusammen mit einem entgegenkommenden Lenker versuchen wir ihnen zu helfen, aber keines der Autos hatte ein Abschleppseil dabei. Schliesslich schoben wir das Auto von Hand frei und schafften es, die Karre zu drehen, denn die beiden wollten lieber wieder zurück (und damit die rund 250km Umweg in Kauf nehmen).

Barro y Lodo

Als Resultat dieser Aktion hatten wir nun zentimeterdicken Dreck an unseren Schuhen und sahen unser Auto erstmals von aussen: Zwischen Rädern und Kotflügeln war alles mit Lehm aufgefüllt und auch am Unterboden klebte eine dicke Schicht Matsch. Überhaupt war unser Auto jetzt braun-beige und nicht mehr silberfarben. Nachdem die Schuhe notdürftig geputzt waren, schlingerten wir weiter, froh, dass wir nur helfen mussten und nicht selber in dieser doofen Situation steckten. Eine gefühlte Ewigkeit später tauchte dann in der Ferne wie eine Fata Morgana ein Streifen asphaltierte Strasse auf und tatsächlich, wir hatten es geschafft. Was für ein Abenteuer!

Tres Lagos

Nach einer gemütlichen Stunde auf Asphalt erreichten wir in Tres Lagos die nächste Tankstelle. Die Tankwartin schaute ungläubig unser Auto an und fragte: «Vienen del norte, ruta 40?» und «No lo creo, que feo!». Ein paar australische Jungs kamen dann auch noch fragen, und als ich ihnen erklärte, dass dieser Acker mit ihrem gemieteten Camper-Minibus wohl nicht zu schaffen sei, meinten sie trocken: «that’s what we wanted to hear, thanks» und entschieden sich für den sicheren Umweg über La Julia. Wir gönnten uns erst einmal ein paar Empañadas und brausten danach in einer Stunde nach El Chaltén. Ganz gemütlich, auf geteerter Strasse, versteht sich.