Nach unserem Ausflug auf die Chinesische Mauer tauchten wir am Donnerstag noch einmal in die Megacity Beijing ein. Am Morgen fuhren wir zur U-Bahn-Station 金台夕照 (Jintaixizhao), weil wir das CCTV-Hauptquartier sehen und fotografieren wollten, doch das Gebäude war weitherum durch hohe Zäune abgesperrt und die Gegend war lärmig, schmutzig und fussgängerunfreundlich. Also flüchteten wir schon bald in die 王府井 (Wangfujing Street), Beijings grosse Einkaufsstrasse. Wie immer in fremden Städten musste ich rasch in den Apple Store, auch wenn sie natürlich überall gleich aussehen. Einziger Unterschied: In China haben die Geräte keinen Internetzugang. (Google und Facebook sind sowieso nicht erreichbar.)

«Smile, you’re on CCTV» – Der imposante Hauptsitz von «China Central Television» (bzw. hinter vorgehaltener Hand: «China Communist Television»)

Das neue und das alte China sind auch in der Werbung gleich nebeneinander

Weil es inzwischen sommerlich heiss geworden war (30 Grad im Mai ist auch für Beijing ungewöhnlich warm), fuhren wir in den Park beim Himmelstempel, hier war es angenehm ruhig und schattig. Hunger und Stadtplan trieben uns dann in die 前门 (Quianmen Street), gemäss Reiseführer eine alte Geschäftsstrasse, wo man noch das China der Zwanziger und Dreissiger Jahre vorfinden könne. Sogar die einzige Tramlinie verkehre hier noch. Das ganze entpuppte sich dann aber als ziemliche Touristenfalle, denn das Areal ist ein kompletter Neubau, einfach auf alt gemacht. Die Geschäfte verkaufen alle die selben billigen Souvenirs oder Esswaren, und die Strasse hat etwa den Charme von Neu-Oerlikon.

Qianmen: Chinesische Postkartenidylle mit Häaggen Dazs, KFC und Starbucks

Dann doch lieber wieder neue Architektur, die nicht vorgibt, etwas altes zu kopieren! Also raus zum Olympic Park, zu Wasserwürfel und Vogelnest. Hier trafen wir wieder auf den mittlerweile gewohnten chinesischen Gigantismus: Für die Olympischen Spiele von 2008 hatte China alle Register gezogen: Es waren die teuersten Spiele und Beijing hatte sich für dieses Ereignis aufs extremste modernisiert und herausgeputzt. Mitten durch Beijing führt die «kaiserliche Linie», jene Nord-Südachse, an der sich die Stadtplanung seit Jahrhunderten ausrichtet, und auf der alle wichtigen Gebäude liegen, so auch die Paläste der Verbotenen Stadt. Für die Olympiade war die Achse nach Norden verlängert worden, denn auch der olympische Park sollte exakt auf dieser angelegt werden. Links der breiten Allee kam das Nationale Wassersport-Zentrum (der «Water Cube») zu stehen, rechts davon das Nationalstadion, besser bekannt als «Vogelnest». Letzteres war das ikonische Erkennungsmerkmal der Olympiade und ist es heute von Beijing schlechthin. Und: «Wer hat’s erfunden? Hä?» Klar, die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron.

Der olympische «Water Cube» ist heute das chinesische Alpamare (das weltgrösste, selbstverständlich)

Im «Vogelnest» fühlen sich viele verschiedene Tierchen wie zuhause…

Beteiligt war auch der Chinesische Künstler Ai Weiwei, welcher sich bei der Partei mit der kritischen Aussage unbeliebt gemacht hatte, dass sämtliche schönen Gebäude Chinas von ausländischen Architekten entworfen würden, weil das Volk selber aufgrund des politischen Systems dazu nicht in der Lage sei. Im (völlig überdimensionierten) Olymic Park aber plärrt auch heute noch die offizielle Olympia-Musik aus den Lautsprechern, man will das Bild der erfolgreichen Nation so lange wie möglich aufrecht erhalten. Schliesslich hatte China 2008 die meisten Medaillen gewonnen.