Reisetagebuch von Christian Kaiser

A fair go between coathanger and toaster

Sydney gehen wir sehr ruhig an. Nach einer vollgepackten Patagonien-Reise darf’s jetzt erstmals wieder etwas gemütlicher sein, und zum Glück haben wir genau die richtige Stadt dafür ausgewählt. Nach einer Woche haben wir uns schon bestens eingelebt. Was eigentlich ein wenig erschreckend ist: Da reist man auf die andere Seite des Globus und alles funktioniert wie zuhause. Wohnen, einkaufen, bezahlen, ÖV und so weiter. Es ist, als wären wir schon immer hier gewesen.

Natürlich waren wir diese erste Woche nicht ganz untätig: Die obligaten touristischen Highlights haben wir abgeklappert, im CBD waren wir shoppen und die Jogging-Strecke ist eingeweiht (durch Hyde Park und Botanical Garden zum Mrs Macquaries Point und wieder zurück). Carmen hat ein Yoga-Studio gefunden, ich eine Kunstgalerie mit «Life drawing» Klasse und gemeinsam quälen wir uns durch den Chinesisch-Crash-Kurs, damit wir dann in ein paar Wochen nicht nur Bahnhof verstehen. Nach einem Monat Restaurant-Essen steht uns momentan der Sinn nach selber kochen, was wir dank «Woolworths» und unserer gut eingerichteten Küche problemlos hinkriegen.

Und gerade weil hier die Dinge so ähnlich ablaufen wie zuhause, wird uns nochmals bewusst, was alles in Buenos Aires anders (oder bloss komplizierter) war. Unweigerlich beginnt man zu vergleichen: Buenos Aires protzt mit seinen Bauten aus der Jahrhundertwende, Sydney trumpft mit viel Platz und Grünflächen; Buenos Aires hat den Tango, Sydney das Opernhaus; La Boca versus The Rocks; San Telmo oder Bondi Beach; Palermo oder Surry Hills, und so weiter. Aber darum geht’s ja gar nicht, beide Städte haben ihre Licht- und Schattenseiten. Erstaunlich ist, wie unterschiedlich sich diese Orte entwickelt haben, obwohl sie eigentlich eine ganz ähnliche Geschichte teilen: Sowohl Sydney als auch Buenos Aires sind Millionenstädte, Hafenstädte, reiche Handelsstädte, grösste Stadt ihres Landes. Beide Länder sind riesig, reich an Rohstoffen, ehemalige Kolonien. Beide haben damals die indigene Population verdrängt, sich später vom Mutterland gelöst und sind zu Industrienationen aufgestiegen.

Wie lassen sich nun die Unterschiede erklären? Politik, Misswirtschaft und Korruption? Strafkolonien, Rum und angelsächsischer Imperialismus? Einfache Antworten gibt’s keine. Aber die Suche nach Indizien, die Hinweise darauf geben, weshalb sich die Geschichte in die eine oder andere Richtung gewendet hat, das ist es (unter anderem), was das Reisen so interessant macht.

1 Kommentar

  1. Nicole & Raphael (Nira) sagt:

    Deine Berichte, einfach wahnsinn! 🙂 Weiterhin viel Spass, geniesst es! Wir freuen uns auf weitere interessante und spannende Texte. Liebs Grüessli von der Ferne (Cohayque), Nicole & Rapha

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Reisender Computerfreak und neuerdings Blogger.