Es gibt wohl kein kapitalistischeres Land als China. Hier wird feilgeboten, gehandelt und gekauft was das Zeug hält. Vor allem wird eingekauft. Noch nirgends (ausser vielleicht in Hong Kong) haben wir so eine hohe Dichte an Shopping Malls gesehen, nirgendwo im Westen sind die Premium-Marken so präsent wie hier. Man liest ja oft in der Zeitung, dass westliche Firmen ihre Umsätze vor allem noch in Asien steigern können, aber erst wenn man hier all diese Gucci-, Prada-, Louis Vuitton- und Michael Kors-Läden sieht, versteht man wirklich, was hinter dieser Aussage steckt. Die Chinesen fahren völlig ab auf westliche Marken, vor allem auf statusbetonende Luxusmarken. Also sind hier auch viele Schweizer Firmen mit entsprechenden Läden vertreten: Bally, Victorinox, Nespresso und sämtliche Uhrenmarken, aber interessanterweise auch kleinere Firmen wie Freitag (Taschen) und verschiedene Schweizer Chocolatiers.
Nicht anders als bei uns ist das Auto auch hier ein Statussymbol. Doch während in der Schweiz eher noch so ein bisschen Understatement zum guten Ton gehört, ist es hier ganz einfach: Je grösser, desto besser. Limousinen (vorwiegend aus deutscher Provenienz) werden vor allem in den bei uns kaum gesehenen Langversionen gekauft, auch wenn dann selten mehr als eine Person im Auto sitzt. Und lustigerweise gibt es nicht nur S-Klasse und A8’s in lang, sondern auch kleinere Modelle wie der VW Jetta oder der Volvo S60. Zwar hat ja auch China eine beachtliche Zahl an Autoherstellern, doch in Shanghai verkehren vor allem die teuren westlichen Modelle. Das hat damit zu tun, dass hier die Autonummern versteigert werden und deshalb oft mehr als 10’000 CHF kosten. Und wer sich das leisten kann, der fährt nachher nicht BYD, Foton oder Brilliance, sondern eben Mercedes, Maserati oder Tesla.
Wie gross Chinas einigermassen vermögende Mittelschicht bereits geworden ist, darauf lässt die grosse Anzahl an Shopping Malls schliessen. Wir waren ja nicht in der ganzen Stadt, aber nur schon im uns bekannten Teil stehen sicher 20 bis 30 Einkaufszentren, jedes davon grösser als Sihlcity und mit genauso viel Glitzer, Glas und Marmor.
Natürlich ist Shanghai aber auch nach wie vor noch «Fake City»: Einerseits fahren die Leute auf die westlichen Marken ab, andererseits tragen sie mit englischen nonsense-Texten bedruckte T-Shirts. Einmal kam uns jemand mit einem «PROSCHE» Shirt entgegen, wenigstens stimmten Schriftart und Logo. Und während sich an der West Nanjing Road eine Schweizer Uhrenboutique an die andere reiht, will einem auf der East Nanjing Road alle paar Meter einer eine gefälschte Rolex andrehen. Kein Wunder, fliegen die Chinesen nach Hong Kong oder Luzern: Hier gibt’s die IWC oder Chopard-Uhr in echt und ohne Luxussteuer.